Die Rückseiten der Architectura Navalis

Autor/innen

  • Jan Pieper

DOI:

https://doi.org/10.60857/archimaera.9.241-64

Schlagworte:

Architectura Navalis, Herrschaftsarchitektur, Ikonologie des Barock, Architectura Recta et Obliqua, Sankt Petersburg, L'Orient, Städtebau, Absolutismus

Abstract

Bug und Heck eines Schiffes folgen funktionalen Notwendigkeiten und repräsentieren zugleich eine symbolische Bedeutungshierarchie. Das Achterschiff ist seit der Antike die noble Seite eines Schiffes, das Vorschiff dagegen von nachgeordnetem Rang. Daraus entwickelte sich über Jahrhunderte eine immer pointiertere Zweiteilung der Schiffe, die im barocken Schiffbau ihren absoluten Höhepunkt erreichte. Das Heck mit seiner dezidiert architektonischen Gestaltung wurde zur Kulturseite des Schiffes stilisiert, der Bug mit der Schreckfigur auf dem Galion dagegen zur Naturseite. Die Bestimmung der königlichen Schiffe zu Instrumenten der absolutistischen Repräsentanz findet darin ihren klarsten Ausdruck, daß das Achterschiff in ein herrschaftliches Architekturzitat verwandelt wurde, das den sphärischen Schiffsrumpf kastellartig bekrönt, ihn am Heck mit einer veritablen Schaufassade abschließt und ihn seitlich mit ausladenden Nebenflügeln umgreift. Gemessen an der Herrschaftsarchitektur an Land ist diese Zweiteilung des barocken Schiffes und die pointierte Gegenüberstellung von Bedeutungen, wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten, eine verkehrte Welt, denn dort präsentiert sich die Schaufassade auf der Vorderseite des Gebäudes. Der Aufsatz behandelt die ikonologischen und gestalterischen Herausforderungen, die sich aus dieser Verkehrung von vorn und hinten ergeben. Sie betreffen die Gestaltung der Schiffe mit künstlerischen Mitteln und haben Auswirkungen bis in die Repräsentation und städtebauliche Konzeption von Hafenstädten, wie sich am Beispiel der bedeutenden Flottenstützpunkte L'Orient und Sankt Petersburg aufzeigen lässt.
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Veröffentlicht

2021-03-16

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