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"Pisang mit den breiten Blättern,
China-Rose, blutig roth,
Winden, die um Palmen klettern,
Kaktus, der mit Pfeilen droht;
Könnt ihr euch um mich vereinen,
Dann bin ich in Indiens Hainen!
Hat ein Zauber mich gebannt
In des Morgens Fabelland? –
Doch nicht lang soll Täuschung währen,
Regen läßt auf Glas sich hören,
Scharfer Wind fällt schneidend ein:
Ein Gewächshaus war mein Hain,
Und mein Indien liegt in Rüschhaus."

(Annette von Droste-Hülshoff)

 

In Entzauberung (1834/35), einer Adaptation des gleichnamigen Gedichtes aus der Feder Franz Grillparzers, spielt Annette von Droste-Hülshoff mit dem Wunsch, sich in ferne Welten zu träumen. [1] Indem sie die Landschaft Mähren im Originaltext ihres Zeitgenossen durch ihr Wohnhaus im Münsterland, das Rüschhaus, ersetzt, entzaubert sie das märchenhafte Morgenland nicht nur als eine Sinnestäuschung, die an den Grenzen zwischen literarisierter Imagination und Realität angesiedelt ist, sondern führt ebenso vor Augen, dass im Prinzip jede Lokalität zum Ausgangspunkt fantastischer Traumreisen bzw. imaginärer Grenzüberschreitungen zwischen Eigenem und Fremdem werden kann. Gleichzeitig verortet sich die Dichterin in einem spezifisch westeuropäischen Diskurs über den Orient, indem sie die eigene Sprecherposition mit dem Satz "…mein Indien liegt in Rüschhaus" betont und ihre Indienfantasie an einem konkreten, realen (Wohn-)Ort im Westfälischen ansiedelt. [2]

"Unser Indien liegt in Haus Stapel", hätte die Familie Kerckerinck entgegnen können, nahe Verwandte der Dichterin, die nur wenige Kilometer entfernt in einem Wasserschloss bei Havixbeck lebten. Während das Indien Droste-Hülshoffs eine literarische Kopfgeburt ist, findet sich die Indiensehnsucht des frühen 19. Jahrhunderts in Haus Stapel in einem tapezierten Landschaftszimmer realiter verräumlicht. Hier hat sich in der Beletage ein Exemplar der panoramatischen Bildtapete Grande chasse au tigre dans l'Inde der Pariser Tapetenmanufaktur Velay erhalten, die diesen Wanddekor um 1818 erstmals produzierte. Dabei handelt es sich um einen szenografischen, im Handdruckverfahren gefertigten Wandschmuck, der durch eine figürlich-narrative Szenerie vor exotisch anmutendem Landschaftsprospekt gekennzeichnet ist. [3] Die sich dergestalt im Raum entfaltende exotische Wohnlandschaft war ursprünglich eingebettet in ein Ensemble weiterer Wohn- und Repräsentationsräume, darunter ein Naturalienkabinett und eine Bibliothek sowie der noch heute erhaltene Festsaal mit den Rheinansichten.

Im vorliegenden Aufsatz soll das Indienzimmer eingehender kontextualisiert werden. Es wird jenen Narrativen in und um Bildtapeten-Räumen nachgespürt, die konstitutiv für das Wohnen in Haus Stapel gewesen sein könnten und in denen sich – in der Begrifflichkeit Michel Foucaults – jene machtvollen "kleinen Taktiken des Wohnens" als Teil einer "Geschichte der Räume" und des sich um 1800 konstituierenden modernen Subjekts offenbaren. [4] Dabei werden die betrachteten Wohnräume und Raumfolgen als displays verstanden. Dieser von Irene Nierhaus in die Wohn-Forschung eingebrachte und dem Bereich der Ausstellungspraxis entlehnte Begriff betont die vielfältigen diskursiven und räumlichen Anordnungsbeziehungen, die sich innerhalb von Raumgefügen in Interdependenz mit der spezifisch historischen und kulturellen Subjektposition der Bewohner [5] entfalten. Der gängige Terminus vom Raumdispositiv erfährt auf diese Weise eine konzeptuell-methodische Erweiterung, da nicht nur die Diskurse um das Wohnen sondern auch die Bildräumlichkeit des Wohnens, die für das hier betrachtete Bildtapeten-Ensemble konstitutiv ist, als 'Zu-Sehen-Geben' denk- und analysierbar werden. [6]

Eines dieser im Wohn-Display ansichtig werdenden Narrative ist die Grenze. Michel de Certeau, der in seiner Kunst des Handelns (1988) eine alltagstheoretische Annäherung an räumliche Markierungen als kulturelles Konstrukt entwickelt, betont die Bedeutung der handelnden Subjekte – in unserem Fall der Bewohner – beim Ziehen von Grenzen. Einerseits argumentiert er, dass die "Aufteilung des Raumes" bzw. "das Spiel der Räume" das Ergebnis von "Akten der Grenzziehung" und damit relational sei; [7] andererseits hebt er die Bedeutung von "Erzählungen" als den die Grenze erst konstituierenden und permanent verändernden Parametern hervor. [8]

Solchen Aushandlungen von Grenzverläufen im Wohnen wird in Haus Stapel nachgegangen. Die Grenze als imaginärer ästhetischer und architektonischer Differenzmarker, der unmittelbar an die Vorstellung eines historischen Wohnsubjekts gekoppelt ist, wird hierzu in Bezug gesetzt zu zeitgenössischen Diskursen von Exotik, Reiseerfahrung und Wissensvermittlung um 1800. [9] Als mögliche Grenzen werden die Schnittstellen zwischen realem und illusionistischem Raum, zwischen Außen und Innen sowie zwischen Eigenem und Fremdem in den Fokus genommen, um in einem zweiten Schritt zu fragen, inwiefern diese binnenräumlichen Grenzziehungen und die durch sie konstituierten Raumordnungen Anteil an der diskursiven, medial im Wohnen vermittelten Konstruktion, Verhandlung und Repräsentation von Nationen und Kulturen hatten. Es soll also dargelegt werden, inwiefern "konkrete räumliche Markierungen" im Häuslichen "auf konzeptueller Ebene zu Kategorien des Denkens transformiert [werden, A.S.]".  [10]

Haus Stapel: Bildtapeten-Pracht in einem Münsterländischen Wasserschloss

Bei Haus Stapel, das im Jahr 1211 erstmals urkundlich als Sitz der Herren von Kerckerinck erwähnt wird, handelt es sich um ein architektonisches Ensemble bestehend aus Vorburg und Herrenhaus, das auf einer annähernd quadratischen Insel errichtet und von einer für Münsterländische Wasserburgen und -schlösser charakteristischen Gräfte umgegeben ist. Die barocke, im Jahr 1719 vollendete Vorburganlage wird Johann Conrad Schlaun, dem Erbauer des Münsteraner Schlosses, zugeschrieben. [11]

Abb. 01. Haus Stapel, barocke Vorburganlage. Foto: Astrid S. Schönhagen, 2009.

Das Herrenhaus ist jüngeren Datums. Es wurde unter Ernst Constantin Freiherr von Droste genannt von Kerckerinck zu Stapel (1770-1841) erbaut, einem Onkel Annette von Droste-Hülshoffs, der nach seinem Austritt aus dem Kirchendienst im Jahr 1801 Maria Theresia von Kerckerinck zu Stapel geehelicht hatte. [12] Es handelt sich um ein dreigeschossiges klassizistisches Gebäude mit Mittelrisalit und zwei Eckpavillons, errichtet in den Jahren 1819-1827 nach Plänen des Architekten August Reinking (1776-1819) auf den Fundamenten eines abgerissenen Vorgängerbaus. [13]

Abb. 02. Haus Stapel, Herrenhaus, vom Innenhof gesehen. Foto: Gerd Radeke, 2011.

Das Herrenhaus, das sich über einer verhältnismäßig großen Grundfläche von 64 x 21 Metern erstreckt, diente als Wohnhaus für die mit 22 Nachkommen äußerst kinderreiche Familie. Seine opulente und qualitativ hochwertige Ausstattung mit kunstvollen Stuckaturen, Tapeten und einer Kapelle ist selbst für Münsterländische Landadelige wie die Kerckerincks, die 1710 in den erblichen Reichsfreiherrenstand erhoben worden waren, ungewöhnlich. Besonders hervorzuheben ist die Ausstaffierung der Beletage mit kostspieligen, teils handgemalten Wanddekoren aus dem frühen 19. Jahrhundert, die den größten heute in Westfalen noch erhaltenen Bestand an historischen Bildtapeten dieser Epoche bilden. [14] Es wird vermutet, dass die Bildtapeten in den 1830/40er Jahren, also unmittelbar nach der Fertigstellung des Herrenhauses im Jahr 1827, angebracht wurden. [15]

Leider sind zur Beletage keine Grundrisse aus der Hand Reinkings erhalten, so dass gesicherte Aussagen über die Funktionen der einzelnen Raumkompartimente nicht möglich sind. Fakt ist jedoch, dass es sich bei dem vermutlich ursprünglich als Festsaal genutzten Raum mit den Rheinansichten um den repräsentativsten des gesamten Gebäudes handelt. Darauf deutet nicht nur seine Größe (13,05 x 7,83 Meter) und die zentrale Lage im Mittelrisalit hin, sondern auch die Tatsache, dass hier handgemalte Tapeten, also Unikate, Verwendung fanden, und nicht wie in den übrigen Räumen gedruckte Bildtapeten, die in französischen Manufakturen mit einer durchschnittlichen Auflagenzahl von 150 Exemplaren gefertigt wurden. Flankiert wird der 'Rheinsaal' auf beiden Seiten durch eine Folge von Zimmern, die nach dem barocken Prinzip der Enfilade angeordnet sind. Das Indienzimmer mit der eingangs erwähnten exotischen Tapete ist indes nicht Teil dieser Raumflucht. Es befindet sich in dem niedrigeren Gebäudetrakt, der zwischen dem Mittelrisalit und dem nördlichen Eckrisalit verläuft, wo sich bis in die 1960er Jahre die hauseigene Bibliothek befand. Den Rheinlanden, die – wie noch zu zeigen sein wird – um 1800 das Sinnbild eines intensiv geführten nationalen Diskurses sind, wird folglich im Raumgefüge des Herrenhauses ein exponierterer Ort zugewiesen als dem Exotischen. Doch was ist dieses Exotische überhaupt? Und wie wird es in Haus Stapel räumlich inszeniert?

Indomanie à la Stapel

Wie eingangs erwähnt, ist im Indienzimmer ein Exemplar der panoramatischen Bildtapete Grande chasse au tigre dans l'Inde (um 1818) der Manufaktur Velay angebracht. Eingepasst zwischen einer Marmor imitierenden Sockelzone und einer bühnenartig gerafften, gedruckten Vorhangdraperie entfaltet sich den kompletten Raum umlaufend auf insgesamt 25 Tapetenbahnen eine exotische Landschaftsszenerie, die nur unterbrochen wird durch eine Kaminnische, die in angrenzende Räume führenden Türen sowie zwei Fenster an der Ostseite. Rhythmisiert wird die in den Wohnraum 'hineingeholte' Landschaft durch Repoussoir-Elemente wie Bäume und Palmen, die den Blick des Betrachters in den illusionären dreidimensionalen, farblich gestaffelten Tiefenraum des Bild-Raumes ziehen, sowie durch verschiedene figürliche Szenerien, die in der Tapetenterminologie als tableaux oder motivische Einheiten bezeichnet werden. [16]

Abb. 03. Blick ins Indienzimmer mit der Bildtapete Grande chasse au tigre. Foto: Astrid S. Schönhagen, 2009.

Auf der dem Eingang gegenüberliegenden Nordwand des Indienzimmers sind Szenen einer Tiger- und Leopardenjagd dargestellt, ein Sujet, das sich auf der westlichen Wand fortsetzt. Dabei verliert das Raubtier zunehmend an Bedrohlichkeit: Während in den ersten beiden Tableaux geschildert wird, wie ein Tiger einen Menschen anfällt und ein Jäger sich vor einem Leoparden auf einen Baum flüchtet – der Mensch also als Gejagter dargestellt ist, verschieben sich in den gegen den Uhrzeigersinn anschließenden Tableaux die Größen-, Blick- und damit Machtverhältnisse zu Ungunsten des Tieres. In der südwestlichen Ecke des Raumes wird der Tiger schließlich von einem gewaltigen Jagdelefanten am Ufer des Ganges in die Enge getrieben.

Abb. 04. Der Jäger als Gejagter, Flucht vor einem Leoparden auf einen Baum.

Abb. 05. Traditionelle indische Tiger-Jagd auf dem Rücken eines Elefanten. Fotos: Gerd Radeke, 2011.

Auf der gegenüberliegen Uferseite, die auf der Südseite des Zimmers dargestellt wird, ist hingegen metaphorisch gesprochen das 'Weibliche' in die Falle gegangen – in Gestalt von drei Tempeltänzerinnen, sogenannten Bajaderen, die weiß-rote, tigerähnlich gestreifte Gewänder im Stil der Empiremode tragen. Zu Füßen einer palastartigen Architektur aus der mogulindischen Ära hat sich hier eine Gruppe von Musikern und Zuschauern eingefunden, darunter ein älterer, die traditionelle Huka-Pfeife rauchender Mann sowie drei Engländer und eine europäische Frau, um den grazil-erotischen, aber dennoch nicht wild und unzivilisiert wirkenden Bewegungen der Bajaderen beizuwohnen. Stärker noch als die anderen Szenen erinnert dieser 'stillgestellte' Tanz an die im 18. und frühen 19. Jahrhundert auf öffentlichen Bühnen, aber auch bei privaten Theateraufführungen im bürgerlichen Interieur sehr beliebten Lebenden Bilder oder tableaux vivants. [17] Im "Jahrhundert des Bühnenbilds" [18] findet diese Kunstform somit im Medium der szenischen Bildtapete auch in der Wohnraumgestaltung ihren Widerhall.

Abb. 06. Tanz der Bajaderen zu Füßen mogulindischer Architektur, links im Hintergrund die Tempelanlagen von Bindrabund. Foto: Astrid S. Schönhagen, 2010.

Das an die Wände tapezierte Indienbild reproduziert die klassisch-stereotypen Vorstellungen der Westeuropäer vom fernen Subkontinent, wie sie vermehrt seit dem 16. Jahrhundert über Reiseberichte in das kollektive Gedächtnis Einzug gehalten hatten. Die Inder werden mit gewickelten Turbanen und dhotis (hosenartigen, an der Taille zusammengeknoteten Kleidungsstücken) oder mit prächtigen wadenlangen Hemdkleidern repräsentiert, die nur entfernt an das unter den muslimischen Mogulherrschern im 16. Jahrhundert in Mode kommende salwar kameez erinnern. Die Schilderungen der Sitten und Gebräuche, wie die traditionelle Tigerjagd auf dem Rücken von Elefanten oder der in der europäischen Imagination mit Erotik assoziierte Tanz der Bajaderen [19], sind als Bildtopoi aus den Reiseberichten von Pierre Sonnerat oder Jacques Grasset de Saint-Sauveur bekannt. Die Architekturen hingegen gehen konkret auf kolorierte Aquatinten im Reisebericht Oriental Scenery. 24 views in Hindoostan (1795-1797) von William und Thomas Daniell zurück, die unmittelbar vor der endgültigen Unterwerfung Indiens durch die Briten im Jahr 1799 den Subkontinent bereisten.

Ãœber das Medium der Bildtapete halten somit im sogenannten „zweiten Entdeckungszeitalter", das sowohl mit der wissenschaftlichen Erschließung und Vermessung der Welt im Dienste des Imperialismus und Kolonialismus [20] als auch mit der Konstituierung der Ethnoanthropologie als Wissenschaft einherging, [21] Bilder des Fremden Einzug in die eigenen vier Wände. Folglich verwundert es nicht, dass gerade auf exotischen Reiseberichten beruhende Bildtapeten damit beworben wurden, nicht nur das Auge zu erfreuen, sondern darüber hinaus den geistigen Horizont zu erweitern. Im Werbeprospekt der Manufaktur Dufour zu den Sauvages de la mer Pacifique (1804) heißt es etwa: "Une mère de famille donnera […] des leçons d'histoire et de géographie à une petite fille, vive, spirituelle et questionneuse […]". [22] Exotische tapezierte Raumansichten waren somit mehr als bloßer Ausdruck der Weltseh(n)sucht jener Epoche; man maß ihnen offensichtlich auch pädagogische Bedeutung bei.

Bei den Kerckerincks und ihrem familiären Umfeld stieß Indien als exotisches Land, das es zu studieren galt, auf besonderes Interesse: Neben dem eingangs erwähnten Gedicht Entzauberung arbeitete die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff um 1820 an einer nicht vollendeten Oper, von der mit dem Indischen Brautlied ein Libretto erhalten blieb. [23] Außerdem befanden sich unter den zahlreichen Reisewerken im Besitz der Kerckerincks einige Publikationen mit Indienbezug, darunter Les six voyages de Jean-Baptiste Tavernier… qu'il a fait en Turquie, en Perse, et aux Indes (1679) und Pierre Sonnerats Voyage aux Indes orientales et à la Chine… (1782). [24]

Das Thema lag um 1800 in Deutschland auch allgemein in der Luft, was vor allem auf die Brüder Schlegel zurückzuführen ist: Im Jahr 1818 wird August Wilhelm Schlegel in Bonn auf den ersten Lehrstuhl für Indologie im deutschen Sprachraum berufen, nur vier Jahre nach der Begründung der Sanskritstudien in Europa durch Silvestre de Sacy in Paris. [25] Bereits 1808 hatte sein Bruder Friedrich Schlegel die Schrift Ãœber die Sprache und Weisheit der Indier publiziert. Hierin identifiziert er das altindische Sanskrit als Ursprache, aus der neben anderen europäischen Sprachen auch das Indo-Germanische hervorgegangen sei. [26] Er bezieht sich damit auf die damals weit verbreitete These von Indien als dem mythischen Entstehungsort der Menschheit und der Zivilisation. [27] Diese positive Sicht auf Indien bedient auch die Bildtapete: Einerseits wird der Subkontinent als ein Ort imaginiert, dessen Bewohner die Natur in Form des Tigers bezwungen haben, andererseits als eine 'Destination mit Geschichte'. Die pflanzenbewachsenen Pagoden der Tempelanlage von Bindrabund sollen dabei auf die ältere hinduistische Kultur verweisen, der mogulindische Baustil steht für die Architektur der jüngeren Vergangenheit. [28]

Bewegung und Entgrenzung: Verschränkungen von realem und illusionistischem Raum im Indienzimmer

Das Indienzimmer ist als 'Ort im Ort', der im Kerckerinckschen Wohnraum auf die Fremde verweist und diese alltäglich vor Augen führt und 'ausstellt' [29], an ein spezifisches Raumerlebnis gekoppelt. Die raumfüllende Anbringung der Tapetenbahnen sowie die durchgehende Horizontlinie bewirken eine illusionistische Erweiterung des Zimmers in die Dreidimensionalität und damit in die Freiräumigkeit. Im Changieren zwischen Bild, Bildtiefenraum und realem Innenraum scheint sich der Wohnraum ästhetisch zu entgrenzen. Die Horizontlinie ist somit, ebenso wie im 1787 von Robert Barker erfundenen Panorama, ein ins Bild gebrachter "Repräsentant angeschauter Unendlichkeit". [30] Sie verweist auf die nicht körperlich, aber ästhetisch überwindbare Begrenztheit der menschlichen Physis. Gleichzeitig handelt es sich beim Indienraum in Haus Stapel um eine Form der Landschaftsinversion, bei der das 'Außen' in den architektonischen Innenraum transponiert wird und damit das 'Innen', aber auch das Eigene, in der Gegenüberstellung mit dem Fremden als solches ansichtig wird.

Die tapezierte Landschaft ist jedoch mehr als eine bloß räumlich-visuelle Erweiterung der Architektur, wie sie sich seit der Erfindung der rahmenlosen Landschaftsschau und insbesondere infolge der Rousseauschen Formel von der 'Hinwendung zur Natur' großer Beliebtheit erfreute. [31] In ihr manifestiert sich auch jene Modernisierung oder "Neu- und Umstrukturierung des Sehens", die laut Jonathan Crary für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts charakteristisch ist. [32] Dies zeigt sich innerhalb der betrachteten 'Wohnlandschaft' in einem protocineastischen Blickregime, das die Mobilisierung von Auge und Körper voraussetzt und damit unmittelbar an die Raumerfahrung des Betrachters gekoppelt ist. [33] Dieser kann seine Blicke, vergleichbar einem "Netz von Blickbahnen" [34], entweder kreuz und quer durch den Raum schweifen lassen oder entlang der als Richtungsvektor fungierenden Horizontlinie bewegen. Letzteres erzeugt eine Narration, die das Ergebnis sogenannter sequence-images ist, [35] bei denen jedes Bild nicht nur in Bezug zu den vorangegangenen, sondern auch zu Bildern und Topoi des eigenen und kollektiven Gedächtnisses gesetzt wird – in Haus Stapel etwa dem in Reiseberichten vermittelten Wissen über Indien – und so das Bild eines zivilisierten Kulturkontinents entwirft, dessen Bewohner die Natur in Gestalt des Tigers bezwungen haben.

In gewisser Weise durchdringen sich in der raumfüllenden Anbringung der Bildtapete also drei Darstellungsmodi: das Panorama und das Tableau vivant, das im Sinne Diderots und Lessings als Stillstellung des fruchtbaren, einem Ereignis vor- oder nachgehenden Moments verstanden werden kann, sowie der "spatiovisual apparatus" [36] des englischen Landschaftsgartens. Ähnlich den Spaziergängern, die sich im polyfokalen Landschaftsgarten von einem der vielen pittoresken Spots zum anderen bewegen [37] – Giuliana Bruno spricht diesbezüglich auch von "traveling" oder "peripathetic bodies", d.h. umherwandelnden Körpern [38] –, bewegen sich die Bewohner von Haus Stapel durch einen im Bild eingefangenen Landschaftsraum, der als 'Ort im Ort' auf eine entfernte außereuropäische Topografie verweist. In Anbetracht dieser räumlichen Mobilisierung der Sinne und des Körpers überrascht es nicht, dass Tapetenhersteller wie Dufour ihre Erzeugnisse mit dem Topos der imaginären Zimmerreise bewarben: "Nous avons pensé qu'on nous saurait gré d'avoir rassemblé, d'une manière commode et apparente, cette multitude de peuples que l'immensité des mers tient séparés de nous, de manière que sans sortir de son appartement, et portant la vue autour de lui, un homme studieux, en lisant […] les relations des voyageurs […], se croira en présence des personnages, comparera le texte avec la peinture, s'attachera aux différences des formes, à celles des costumes […]."  [39]

Als Urtext der literarischen Gattung der Zimmerreise gilt Xavier de Maîstres Voyage autour de ma chambre von 1794, in dem der Autor eine Art "geistigen Lustwandelns im Innern des eigenen Interieurs" schildert. [40] Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war diese Gattung bereits derart etabliert, dass man auch bei der Medialisierung von Reiseerfahrung in verschiedenen optischen Spielereien und 'Blickmaschinen' wie Guckkästen, Jahrmarktpanoramen oder Bewegung suggerierenden Rollbildern, den sogenannten Moving Panoramas (frz. Carmontelle), von armchair travels sprach. [41]

Im Medium der Landschaftsbetrachtung findet sich die Vorstellung fiktiver Spaziergänge jedoch bereits bei Diderot. Dieser hatte sich, um seinen Lesern herkömmliche Besprechungen der 1767 im Pariser Salon ausgestellten Werke zu ersparen, auf 'gefakte' Spaziergänge durch die Landschaftsbilder des Malers Joseph Vernet begeben. [42] Anders als bei Diderot oder den literarischen Zimmerreisen, bei denen – um eine Formulierung von Annegret Pelz aufzugreifen – das vor dem geistigen Auge erstandene "Gehäuse" der "Bilderspender der bewegungslosen Reise" ist, [43] bewegt sich in Haus Stapel der 'Reisende' durch einen realen architektonischen Raum, der durch illusionistische, von ethnografisch anmutenden Reiseberichten inspirierte Bildwelten erweitert ist. Der medialisierte Akt des Reisens ist hier also unmittelbar an die körperliche Präsenz des sich bewegenden Betrachters gekoppelt.

Im tapezierten Indienraum durchdringen sich folglich die Topoi des Landschaftsgartens und der imaginären Zimmerreise sowie das aufkommende zeitgenössische Interesse an der Ethnografie als der Wissenschaft vom Menschen. Gleichzeitig wird die illusionistische Raumerweiterung durch die bisher nur beiläufig erwähnte, eine geöffnete Bühne imitierende gedruckte Vorhangdraperie als theatrale Inszenierung entlarvt. Der Betrachter befindet sich jenseits dieses Bühnenvorhangs in einem fiktiven Zuschauerraum, und die auf der 'Bühne' vor- und ausgestellten Sitten und Gebräuche der Inder sind – mit Walter Benjamin gesprochen – nichts anderes als "Phantasmagorien des Interieurs" und der Wohnraum "eine Loge im Welttheater", in der der Privatmann "die Ferne und die Vergangenheit [versammelt, A.S.]". [44]

Wissens- und Reiseräume als Formen der Aneignung von Welt

Das Motiv des Vorhangs wird im nördlich an das Indienzimmer angrenzenden Raum aufgegriffen, der bis in die 1960er Jahre als Bibliothekszimmer genutzt wurde. Hier befindet sich eine papierne Draperie-Tapete der Manufaktur Dufour (um 1808), in der der kunstvoll arrangierte Faltenwurf von glänzendem, blauweiß gestreiftem Satin mit seinem Licht- und Schattenspiel sowie Goldlitzen, herabhängende Fransen und Trotteln täuschend echt imitiert werden.

Abb. 07. Historische Aufnahme der Bibliothek. Foto: Christoph Bathe, 1967. © LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen.

Abb. 08. Detail der Draperie-Tapete. Foto: Angelika Brockmann-Peschel, 2010. © LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen.

Während im Indienzimmer mit den Grenzen von Realität und Illusionismus im Medium der Landschaftsdarstellung gespielt wird, sind die Tapeten hier in ein anderes illusionäres Spiel eingebunden: Die gedruckten Wandbehänge suggerieren bzw. repräsentieren Stofflichkeit, "ils sont images du réel dans le sens du matériel…".  [45] Hinter ihnen verbirgt sich eine geheime Welt: auf der einen Seite, im Indienzimmer, die fremde Ferne, auf der anderen Seite, in der Bibliothek, die des in Büchern Imaginierten.

Laut der erhaltenen Inventare befand sich in der Bibliothek zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein umfangreiches Konvolut an Schriften. [46] Dieses reichte von den metaphysischen Schriften des Aristoteles oder anderer Autoren der Antike wie Homer, Ovid oder Cicero über theologische Schriften und Traktate, die größtenteils mit dem eingangs erwähnten Hausherrn Ernst Constantin in Familienbesitz kamen, bis hin zu Werken der Belletristik und Erziehungsliteratur des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, darunter Miguel de Cervantes, Joachim Heinrich Campe, Jean-Jacques Rousseau oder Lord Byron. Abgesehen von den bereits erwähnten Reiseberichten mit Indienbezug befanden sich auch zahlreiche Berichte von europäischen und außereuropäischen (Forschungs-)Reisen in der Bibliothek; exemplarisch seien hier erwähnt Magnus Schleiers Reise-Beschreibungen ins gelobte Land (um 1723), Sophie von La Roches Erinnerungen aus meiner dritten Schweizerreise (1793) oder Adam Johann von Krusensterns Reise um die Welt in den Jahren 1803-06 (1811). Gemeinsam mit den der Naturgeschichte gewidmeten Werken, darunter Le Théatre de la nature universelle von Jean Bodin (1597) oder Buffons Histoire naturelle générale et particulière avec la description du cabinet du roi (1770) legen all diese Publikationen Zeugnis ab von der Belesenheit der Bewohner von Haus Stapel, denen eine universelle Bildung offenbar am Herzen lag. Die Bibliothek mit ihren Büchern ist in diesem Kontext zu verstehen als Medium der "Aneignung von Welt und Weltgeschichte". [47] Sie ist der Hort des verschriftlichten Wissens über die Natur sowie über fremde Länder und Menschen, aber auch ein Ort, in dem und von dem aus man sich lesend oder Bildbände betrachtend auf eine gedankliche Reise in die Ferne begeben konnte.

Eine ganz andere Art der Aneignung von Welt waren die Naturalienkabinette. [48] In ihnen spiegelt sich das gesellschaftlich breite Interesse an der Naturgeschichte wider, die vor allem durch die Werke von Georges-Louis Leclerc Comte de Buffon und Carl von Linné – beide in der Kerckerinckschen Bibliothek vertreten – popularisiert wurde. [49] Waren Naturalienschränke und -kabinette im 17. Jahrhundert noch überwiegend im höfischen Kontext oder in Forschungsstätten und Universitäten zu finden, so besaß Ende des 18. Jahrhunderts bereits ein Großteil des Mittelstandes (Pharmazeuten, Mediziner, Regierungs- und Geheimräte, Kaufleute, Lehrer oder Theologen) solche Kabinette, die der naturwissenschaftlichen Anschauung und Belehrung in den eigenen vier Wänden dienten. [50] Der thüringische Theologe Johann Samuel Schröter spricht in seinen Abhandlungen über verschiedene Gegenstände der Naturgeschichte (1776-77) in diesem Zusammenhang auch vom "Kabinetseculum": "Jedermann will ein Naturalienkabinet, es sey von dieser oder jener Art, und man macht eine gelehrte Galanterie daraus eines dergleichen zu haben oder anzulegen." [51]

Dass ein solches Naturalienkabinett im Herrenhaus Stapel existierte, belegen ein mit Verzeichnis meiner Thiere in Spiritus betiteltes Schriftstück von ca. 1795 sowie die 2010 wiederentdeckten Original-Erklärungen Reinkings zu seinen Plänen von 1818/19. In diesen schreibt der Architekt: "Rechts am Saal [gemeint ist der noch zu analysierende Fest- oder Hauptsaal mit den Rheinansichten, A.S.] ist eine hübsche Gallerie von 40 fuß Länge, welche vorzüglich dazu geeignet ist, um die Naturaliensammlung aufzustellen, und welche sicher ein eigenes Vorzimmer hat, zu dem man unmittelbar von der Hauptstiege gelangen kann." [52]

Dies lässt vermuten, dass das Naturalienkabinett in einem der beiden westlich an das Indienzimmer angrenzenden Räume angesiedelt war. [53] Gesammelt wurden in und außerhalb Europas beheimatete Fische, Schildkröten, Schlangen und Eidechsen, wobei die im Verzeichnis erwähnten lateinischen Gattungsbezeichnungen auf die zehnte Auflage von Carl von Linnés Systema naturae aus dem Jahr 1758 zurückgehen. [54] Linné, der ein taxonomisches, auf binärer Nomenklatur basierendes Klassifizierungsschema zur Unterscheidung der Varietäten innerhalb der drei Naturreiche der Tiere, Pflanzen und Mineralien nach Arten, Gattungen, Ordnungen und Klassen entwickelt hatte, [55] ordnete in dieser Ausgabe fälschlicherweise einzelne Fischarten oder Reptilien wie Schildkröten und Schlangen der Klasse der Amphibien zu. Es kann also davon ausgegangen werden, dass sich die Bewohner von Haus Stapel gemäß den zeitgenössischen Vorgaben vom kenntnisreichen Errichten eines Naturalienkabinetts auf das Sammeln von Amphibien, Reptilien und Fischen spezialisierten. [56]

Diese Art der Weltaneignung ist eine völlig andere als in den übrigen bereits erwähnten Wissensräumen. Im Naturalienkabinett wird die einst belebte Natur in Gläsern konserviert und nach taxonomischen Gesichtspunkten sortiert ausgestellt. Im Indienzimmer hingegen wird der Mensch, eingebunden in den Landschaftsraum, als Teil der belebten Natur aus- und vorgestellt. Hierin spiegelt sich jene "Analytik des Menschen", [57] die – so Michel Foucault in seiner Ordnung der Dinge (1971) – mit der Entstehung der Humanwissenschaften und insbesondere der Ethnologie um 1800 Einzug in das europäische Denken hielt und den Menschen in den Fokus des Interesses stellte. [58] In der Bibliothek wiederum ist die belebte Natur in ihren literarischen Repräsentationen vorgestellt, die – ebenso wie Malerei, Architektur, Grafik oder auch Tapeten – dem Bereich der imago, der Einbildungskraft, zugeordnet werden.

Demnach vereint Haus Stapel in enger Nachbarschaft unterschiedliche Wissenssysteme oder Arten der Aneignung von Welt. Indem sich die Bewohner von einem zum anderen Raum bewegen, überschreiten sie nicht nur binnenräumliche, architektonische Grenzen, sondern wechseln auch von einem Repräsentationssystem ins andere.

Verräumlichte Rheinromantik

Ein weiteres Diskursfeld, nämlich das der Geschichte, wird im sogenannten 'Rheinsaal' eröffnet. An allen Wänden des großen rechteckigen Saales sind handgemalte, im Stil der Rietberger Dekorationsmalerei gefertigte Tapeten mit rheinischen Landschaftsausblicken angebracht. Diese spiegeln sich nicht nur in den auf Konsolen ruhenden Empire-Spiegeln, sondern treten über die Fensterflucht in der Westwand auch in unmittelbare Korrespondenz mit der umliegenden Münsteraner Landschaft, vor allem mit der Gräfte und dem heute verwilderten Landschaftsgarten, welche das Haus Stapel umgeben. Anders als im Indienzimmer, wo das Raumerlebnis das Ergebnis eines panoramatischen Blick- und Bewegungsregimes ist, handelt es sich hier um Rahmenschauen, die von Akanthusblatt-Bordüren eingefasst werden, und damit um Fensterblicke im Sinne Albertis. [59]

Abb. 09. Blick in den Rheinsaal, Ansichten von Burg Maus (links) und dem Loreleyfelsen (rechts). Foto: Gerd Radeke, 2011.

Auch im Rheinsaal wird der reale Raum mittels Ansichten aus einem Reisebericht in die Außenräumlichkeit erweitert. Als Vorlagen dienten – mit Ausnahme der noch nicht identifizierten Supraporten mit Veduten von Flussstädten – farbige, nach Ansichten von Christian Georg Schütz d. J. (1758-1823) gefertigte Aquatintablätter aus dem Prachtband A picturesque tour along the Rhine, from Mentz to Cologne. [60] Dieser erschien 1820 in London als englische Ãœbersetzung der noch unbebilderten Originalausgabe Johann Isaac von Gernings, die den Titel Die Rheingegenden von Mainz bis Köln (1819) trägt.

Für den Rheinsaal wurden, ungeachtet ihrer tatsächlichen geografischen Lage entlang des Flusses, folgende Darstellungen ausgewählt: An der Nordwand des Raumes sieht man die Ruine Burg Thurnberg, auch bekannt unter dem Namen Burg Maus, sowie den Loreleyfelsen mit der traditionellen Lachsfischerei im Vordergrund.

Abb. 10. Lachsfischerei am Loreleyfelsen bei Sankt Goarshausen (nach Christian Georg Schütz d. J.). Foto: Astrid S. Schönhagen, 2010.

An der Ostwand sind links und rechts einer Ofennische der Mäuseturm von Bingen sowie Koblenz und Ehrenbreitstein mit der 1801 von französischen Truppen geschleiften Festung dargestellt, während im Mittelgrund die charakteristischen 'fliegenden Brücken' über den Rhein auszumachen sind.

Abb. 11. Ansicht des Mäuseturms bei Bingen (links) sowie von Koblenz und Ehrenbreitstein (rechts). Foto: Gerd Radeke, 2011.

Die Südwand zeigt schließlich Köln mit dem unvollendeten Dom sowie Schloss Biebrich bei Wiesbaden, im Hintergrund die hügelige Landschaft des Rheingaus.

Abb. 12. Stadtvedute von Köln (links) und Schloss Biebrich bei Wiesbaden (Mitte), im Bildvordergrund der historische Flügel der Münsteraner Firma Knake. Foto: Gerd Radeke, 2011.

Auffallend ist, dass in der südlichen Raumhälfte des Festsaals mittelalterliche Burgruinen und sagenumwobene Orte wie der Mäuseturm bei Bingen, auf den der habgierige Bischof Hatto verbannt wurde, oder die Loreley, deren Mythos Clemens Brentano in seinem Roman Godwi oder Das steinerne Bild der Mutter im Jahr 1801 überhaupt erst erfunden hatte, [61] abgebildet sind und dass diese darüber hinaus in idyllischen naturbelassenen Tälern ohne jegliche Stromschnellen imaginiert werden. In der anderen Raumhälfte wird hingegen mittels der Stadtveduten ein Dreieck aufgespannt zwischen den beiden Residenzstädten Koblenz (bis zum Reichsdeputationshauptschluss von 1803 Sitz des geistlichen Kurfürstentums Trier) und Biebrich (bis 1841 weltliche Residenz der Fürsten von Nassau) sowie der freien Reichsstadt Köln (im gleichnamigen, 1801 unter Napoleonischer Herrschaft aufgelösten Kurfürstentum).

Insgesamt wird also auf das Rheintal als bedeutende deutsche Kultur- und Geschichtslandschaft verwiesen. Dabei wird sowohl im Sinne der Romantik auf die mittelalterliche Geschichte Bezug genommen als auch auf die jüngere Vergangenheit, in welcher – versinnbildlicht durch die von französischen Truppen zerstörte Festung Ehrenbreitstein – der Rhein zum 'Zankapfel' zwischen Frankreich und Deutschland wurde und abwechselnd der einen oder der anderen territorialen Macht als Grenzmarke diente.

Der Rhein als Grenze und nationales Sinnbild

Benedict Anderson hat in seinem Buch Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts (1988) dargelegt, dass die Vorstellung von souveränen und begrenzten Gemeinschaften Bedingung für die imaginäre Konstruktion von Nationen sei. Der Diskurs um die Grenze ist damit Teil jener kollektiven Vorstellungen, die – wie eine gemeinsame (Schrift-)Sprache und ihre Verbreitung etwa in Romanen – konstitutiv für die Herausbildung eines Nationalverständnisses sind. [62]

Im deutschsprachigen Raum gewinnt die Grenzfrage mit der Expansion Frankreichs unter Napoleon an Bedeutung: Zwischen 1795 und 1813 gehören die linksrheinischen Territorien zum französischen Hoheitsgebiet. Die dort durchgeführte Säkularisierung der ehemaligen Kurfürstentümer – im Rheinsaal repräsentiert in den Stadtansichten von Köln und Koblenz – sowie die Beseitigung der Kleinstaaterei durch Mediatisierung leiten langfristig die Auflösung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation ein. Im Frieden von Lunéville (1801) wird der Rhein als 'natürliche' Grenzlinie zwischen dem französischen Kaiserreich und den rechtsrheinischen Gebieten bestätigt, woran sich bis zum Sieg der russisch-preußisch-österreichischen Allianz bei der Völkerschlacht von Leipzig und der anschließenden territorialen Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress (1814/15) nichts ändert. [63] In diesen historischen Begebenheiten liegen die Ursprünge eines sich in den Befreiungskriegen verschärfenden Diskurses über den Rhein als nationaler Mythos und Grenze einer zu errichtenden deutschen Nation.

Vor diesem Hintergrund gewinnt die Burgenromantik, die nicht mehr nur auf das Malerisch-Pittoreske der Ruine verweist, an Bedeutung. Für Friedrich Schlegel – neben Ludwig Tieck, Joseph von Eichendorff und Clemens Brentano, der 1810-1812 seine Rheinmärchen verfasst, ein wichtiger Vertreter der literarischen Romantik – sind die Burgen am Rhein Sinnbild einer idealisierten glorreichen, vom mittelalterlichen Rittertum verkörperten Vergangenheit. In seiner Reise nach Frankreich schreibt er: "Nirgends werden die Erinnerungen an das, was die Deutschen einst waren, und was sie seyn könnten, so wach, als am Rheine." [64]

Die Rheingegenden seien "der Ort, wo eine Welt zusammenkommen und von hieraus übersehen und gelenkt werden könnte, wenn nicht eine enge Barriere die sogenannte Hauptstadt umschränkte, sondern statt der unnatürlich natürlichen Gränze und der kläglich zerrißnen Einheit der Länder und Nationen, eine Kette von Burgen, Städten und Dörfern längst dem herrlichen Strome wieder ein Ganzes und gleichsam eine größere Stadt bildeten, als würdigen Mittelpunkt eines glücklichen Welttheils". [65]

Mit Rückgriff auf die mittelalterliche Reichsidee entwirft Friedrich Schlegel hier das Bild einer geeinten europäischen Kulturgemeinschaft entlang des großen Stromes, wobei den Deutschen allerdings eine historisch begründete Vorrangstellung zugeschrieben wird. [66] Diese Argumentation greift auch sein Bruder August Wilhelm auf, wenn er ausführt: "Vielleicht ist uns [den Deutschen, A.S.] die schöne Bestimmung vorbehalten, das erloschene Gefühl der Einheit Europa's dereinst wieder zu wecken, wenn eine egoistische Politik ihre Rolle ausgespielt haben wird. Das ist nicht zu läugnen: wenn der Orient die Region ist von welcher die Regenerationen des Menschengeschlechtes ausgehen, so ist Deutschland als der Orient Europa's zu betrachten." [67]

Nur wenige Jahre nach Schlegels Metapher von "Deutschland als dem Orient Europa‘s", die als "Denkfigur […] intellektueller Selbstermächtigung" angesichts realpolitischer Unterlegenheit in der Napoleonischen Ära gedeutet worden ist, [68] begründet Johann Gottlieb Fichte in seinen Reden an die deutsche Nation (1808) den Mythos einer deutschen, auf Sittlichkeit und Kultur basierenden Nation. [69] Das von ihm entwickelte Konzept der Kultur- oder Sprachgrenzen, die neben den 'natürlichen' geografischen Grenzen wie Flüssen oder Gebirgen existieren, [70] wird auf dem Höhepunkt der Befreiungskriege von Ernst Moritz Arndt in zutiefst antifranzösischer Rhetorik aufgriffen. In seiner politischen Kampfschrift Der Rhein, Teutschlands Strom, aber nicht Teutschlands Gränze (1813) erklärt Arndt den Rhein aufgrund seiner Grenzlage zu Frankreich zum Sinnbild nationaler Identität und die Rheingegenden zur kulturellen Kernregion Deutschlands. Diese, so träumt er weiter, gelte es mit Österreich und Preußen gegen die Franzosen in Form eines mittelrheinischen deutschen Ritterstaates zu verteidigen. [71]

Mit dem zweiten Pariser Frieden von 1815, infolge dessen die Rheinlande zur preußischen Rheinprovinz werden, sind nationale Grenz-Diskurse zunächst obsolet. Sie keimen allerdings in den 1830er Jahren wieder auf. Aufgrund der drohenden Kriegsgefahr im Zusammenhang mit der Juli-Revolution (1830) sowie der Rheinkrise (1840), während welcher Frankreich nach seiner gescheiterten Orientpolitik unter dem Kabinett Thiers erneut Anspruch auf den Rhein als 'natürliche' Grenze erhebt, verschärft sich auch die Rhetorik auf deutscher Seite erneut: Erwähnt seien exemplarisch Nicolaus Beckers Lied Der freie Rhein oder Max Schneckenburgers Die Wacht am Rhein. [72] In diesem politischen Klima finden Fragen nach territorialen Grenzziehungen schließlich sogar in Reiseberichten ihren Niederschlag. [73]

Gleichzeitig sind die Jahre unmittelbar nach Ende der Napoleonischen Herrschaft, während der auch die Vorlagen für den Rheinsaal in Haus Stapel entstanden, gekennzeichnet durch eine rege Zunahme der Reisetätigkeit an den Rhein, vor allem durch britische Touristen. 1835 erscheint als Rheinreisebuch der erste Baedeker und begründet damit – ebenso wie die in großer Zahl erscheinenden Druckgrafiken, Gemälde und Bildbände – die bis heute andauernde Popularität des Rheins als touristische Destination. [74] Ebenfalls in den 1830/40er Jahren setzt eine Welle von Burgenrestaurierungen im Rheinland ein. Höhepunkt ist im Jahr 1842 die Wiederaufnahme der Bautätigkeiten am Kölner Dom, der seit Mitte des 16. Jahrhunderts unvollendet geblieben war und nun zum nationalen Monument stilisiert wird. [75]

Damit sind die Bezugspunkte des Rhein-Diskurses umrissen, innerhalb dessen sich die Bewohner von Haus Stapel im wahrsten Sinne des Wortes 'bewegten'. Die Bildtapeten im Festsaal sind visuelle Zeugnisse jener zeitgenössischen Debatten, die im Spannungsfeld um Rheinromantik und Fragen der territorialen Grenzziehung oder Nationalstaatlichkeit zirkulierten und die – im Sinne Benedict Andersons – Anteil hatten an jener imaginären Konstruktion eines deutschen Nationalstaates bzw. einer nationalen Identität, die mit der Märzrevolution von 1848 vorläufig scheitern sollte. Dass der Rhein als nationale Erinnerungslandschaft im größten und repräsentativsten Raum des Herrenhauses seine Verräumlichung fand, ist ein Beleg dafür, welch hohen Stellenwert die damaligen Bewohner diesem Sujet beimaßen. [76]

Das Fremde im Eigenen: Kulturverortungen im Wohnen um 1800

Der Rheinsaal entfaltet seine Wirkung aber nicht nur vor dem Hintergrund dieser nationalen Diskurse, sondern auch und gerade im Wechselspiel mit den spezifisch architektonischen und landschaftlichen Gegebenheiten in und um Haus Stapel. Für die Bewohner des Herrenhauses war und ist der Rhein sicherlich eine Landschaftsformation, deren hügelige Flusstäler nichts gemeinsam haben mit der flachen Münsteraner Landschaft, die sich hinter den Fenstern des Festsaals erstreckt. Der Rhein verweist also in gewisser Weise auf das Fremde im Eigenen. Auch wenn er nicht tausende Kilometer entfernt liegt, ist er dennoch ein Sehnsuchtsort, das Binnenexotische, bei dem "die Alterität in der geografischen Nähe [ge]sucht" wird. [77] In diesem Sinne markiert die um die Wasserburg verlaufende Gräfte nicht nur die Grenze zwischen Herrenhaus und Umgebung, zwischen Privatbesitz und öffentlich zugänglichem Gelände, sondern sie ist auch das Grenzgewässer zwischen Eigenem und Fernem, zwischen Münsterländischer und Rheinischer Landschaft.

Innerhalb von Haus Stapel sind es die von Michel de Certeau analog zum Sprechakt beschriebenen "Rhetoriken des Gehens", [78] also die Bewegungen der Bewohner, aber auch deren Vorwissen und Assoziationen, die weitere narrative Kontexte erschließen. So wird im Neben- und Nacheinander der zuvor beschriebenen Räume im Inneren des Hauses eine Art (Mikro-)Kosmos des Wissens entworfen, in dem mit der Bibliothek, dem Naturalienkabinett, der 'tapezierten' Anthropologie im Indienzimmer und der in der Kulturlandschaft des Rheins versinnbildlichten Geschichtsschreibung verschiedene Formen der Wissensorganisation und -vermittlung verräumlicht oder ausgestellt werden. Indem sich die Bewohner blickend und staunend von einem (Bild-)Raum in den nächsten bewegen, überschreiten sie nicht nur binnenräumliche architektonische Grenzen, sondern wechseln auch zwischen den verschiedenen Repräsentationssystemen des 'Wissenskosmos'. [79] Beim Hin- und Herbewegen zwischen Indien- und Rhein-Saal wird in dieser Mobilisierung von Körper und Auge der Akt des Reisens und damit das Ãœberschreiten geografischer Grenzen – anders als bei den imaginierten literarischen Zimmerreisen – sogar körperlich-räumlich und damit realiter nachvollziehbar. Hier kann man also von einer Art architektonischen Zimmerreise sprechen, die durch die im Wohnraum ausgestellten Reisebilder vermittelt wird.

Abb. 13. Blick ins Indienzimmer. Foto: Astrid S. Schönhagen, 2009.

Abb. 14. Blick in den Rheinsaal. Foto: Astrid S. Schönhagen, 2010.

Ähnlich den sequence-images im Indienzimmer ermöglicht die Sequenz der Zimmer allerdings auch, Bezüge zwischen den Diskursfeldern der einzelnen (Wissens-)Räume herzustellen. So erhält die Kombination von Indienzimmer und Rheinansichten eine Bedeutung, die über die bloße Gegenüberstellung von Eigenem und Fremdem hinausgeht, dieser vielmehr zuwiderläuft.

Andrea Polaschegg hat darauf hingewiesen, dass Kulturverortungen um 1800 auf zweierlei Ebenen stattfanden: einerseits im Rückgriff auf die eigene Vergangenheit, etwa das Mittelalter, das zwecks Historisierung und Legitimierung der eigenen Kultur gegenüber anderen europäischen Staaten und Nationen herangezogen wurde, und andererseits mit Verweis auf außereuropäische 'Ursprungskulturen', in denen die Anfänge des christlichen Abendlands vermutet wurden. [80] Zu diesen Ursprungskulturen, die sozusagen zum Fremden im Eigenen wurden, zählte – wie bereits erwähnt – auch Indien, das im zeitgenössischen Verständnis zum Orient gehörte. [81]

Mit Verweis auf die spezifisch deutsche Indienrezeption des frühen 19. Jahrhunderts sowie August Wilhelm Schlegels weiter oben angeführte Metapher von "Deutschland als dem Orient Europa's" könnte man daher – vor dem Hintergrund nationalstaatlicher Tendenzen – im Sinne eines spatialen Kulturvergleichs argumentieren: Ebenso wie der Indienraum in Haus Stapel anhand der Tempelanlagen von Bindrabund auf ein Indien verweist, in dem die Wurzeln der indogermanischen Sprache und Kultur liegen, so kann die Rheinlandschaft zum Ursprungort einer deutschen Nation werden. [82] Der 'diskursive Raum' um das Indienzimmer bildet somit die ideengeschichtliche Folie, die beschriebene bühnenhafte Inszenierung des Subkontinents dagegen die reale Bühne, vor der sich die zeitgenössischen Narrative um die Rheinlandschaft als Sinnbild einer zu errichtenden deutschen Nation verstärken. [83] Folglich ist es, de Certeau weiterdenkend, die Vielzahl der von tapezierten Wohnlandschaften und Wissensräumen evozierten, sich miteinander verwebenden Diskurse, die eine Art "Handlungs-Theater" [84] für die alltäglichen Praktiken und Handlungen der Bewohner in Haus Stapel schafft und mittels derer nationale Identität oder kulturelle Grenzen geformt werden.



[1] Zur Frage der Autorschaft des Gedichts Entzauberung siehe Winfried Woesler: "'Entzauberung': Mein Indien liegt nicht in Rüschhaus. Die Droste und Grillparzer." In: Literatur in Westfalen. Beiträge zur Forschung 3 (1995), S. 289-291.

[2] Zum Verhältnis von Geografie, Subjektposition und Raum vgl. Irit Rogoffs metonymischen Geografie-Begriff: Irit Rogoff: Terra Infirma. Geography’s visual culture. London, New York 2000.

[3] Zur Bildtapete siehe exemplarisch Odile Nouvel-Kammerer: French Scenic Wallpaper 1795-1865. Paris 2000. Zur Manufaktur Velay vgl. Geert Wisse: "Un 'trésor inconnu' à Neufchâteau: trois papiers peints panoramiques du 19e siècle." In: Terre de Neufchâteau 2 (2001), S. 7-35. Zum Problem der methodischen und begrifflichen Kategorisierung von Bildtapeten vgl. Katharina Eck: "Papier Peints und ihre Wandgeschichten: Kategorisierungs- und Diskursivierungsstrategien für französische (Bild-)Tapeten." In: Elisabeth Fritz u.a. (Hg.). Kategorien zwischen Denkform, Analysewerkzeug und historischem Diskurs. Heidelberg 2012, S. 293-308.

[4] Michel Foucault / Daniel Defert: "Das Auge der Macht." In: Michel Foucault. Schriften in vier Bänden. Dits et Ecrits III: 1976-1979. Hg. von Daniel Defert und François Ewald. Frankfurt am Main 2003, S. 250-271, Zitat S. 253.

[5] Im Folgenden impliziert die maskuline Form (Bewohner, Betrachter) stets das Weibliche und Männliche.

[6] Zum Begriff des Wohn-Displays vgl. Irene Nierhaus: "Rahmenhandlungen. Zuhause gelernt. Anordnungen von Bild, Raum und Betrachter." In: Viktor Kittlausz / Winfried Pauleit (Hg.). Kunst – Museum – Kontexte. Perspektiven der Kunst- und Kulturvermittlung. Bielefeld 2006, S. 55-75. An anderer Stelle schreibt Nierhaus: "[Displays] sind Anordnungsverhältnisse und Anordnungsbeziehungen, die auf verschiedenen Ebenen von Objektbeziehungen, Diskursverläufen und Subjektpositionen gestaltet werden und in denen wir BewohnerInnen und Bewohnte sind. Displays verstanden als Gesamtheit bedeutungsvoller Zueinanderstellungen und Gruppierungen, die sich situativ kon- und defigurieren. Sie sind zudem sprachlich verfasst in Repräsentationen und den dafür zur Verfügung stehenden Medien und Medienverbünden. D.h., Displays sind einerseits diskursiv strukturiert, andererseits sind Diskurse displaybildend." (Irene Nierhaus: "Landschaftlichkeiten. Grundierungen von Beziehungsräumen." In: Irene Nierhaus / Josch Hoenes / Annette Urban (Hg.). Landschaftlichkeit zwischen Kunst, Architektur und Theorie. Berlin 2010, S. 21-37, Zitat S. 21).

[7] Michel de Certeau: Kunst des Handelns. Berlin 1988 (französisches Original: L’invention du quotidien, 1980), S. 227.

[8] De Certeau führt aus: "Einerseits wird die Erzählung nicht müde, Grenzen zu ziehen. Sie vervielfältigt die Grenzen, aber als Interaktion zwischen Personen und Dingen, Tieren und Menschen: die Handelnden teilen sich gleichzeitig die Orte, die Prädikate […] und die Bewegungen […]. Die Grenzen werden durch die Berührungspunkte zwischen den zunehmenden Aneignungen (Erlangung von Prädikaten im Verlaufe der Erzählung) und den aufeinanderfolgenden Ortsveränderungen (innere oder äußere Bewegungen) der Handelnden gezogen. Sie laufen auf eine dynamische Aufteilung der Güter und möglicher Funktionen hinaus, um ein immer komplexeres Netz von Differenzierungen und eine komplexere Kombination von Räumen zu bilden." (siehe ebd., S. 232-233).

[9] Der Terminus 'um 1800' bezieht sich auf die von Reinhart Koselleck als "Sattelzeit" bezeichnete Epochenschwelle zwischen 1750 und 1850, während der sich "ein tiefgreifender Bedeutungswandel klassischer topoi" vollzog und sich das sogenannte moderne Subjekt herausbildete. Als wichtige Kriterien und Antriebsfaktoren dieses Wandels identifiziert er die zunehmende Demokratisierung infolge der Französischen Revolution, die Verzeitlichung (Historisierung) bzw. die Entstehung eines historischen Bewusstseins, die Ideologisierung von Begriffen sowie die Politisierung der Gesellschaft. Vgl. hierzu Reinhart Koselleck: "Einleitung". In: Otto Brunner / Werner Conze / Reinhart Koselleck (Hg.). Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland 1. Stuttgart 1979, S. XIII-XXVII, Zitat S. XV.

[10] Heidi de Mare: Räumliche Markierungen holländischer Identität. Das grenzenlose Interesse von Simon Stevin (1548-1620) und Jacob Cats (1577-1660) an Grenzen und Grenzübergängen. In: Markus Bauer / Thomas Rahn (Hg.). Die Grenze. Begriff und Inszenierung. Berlin 1997, S. 103-129, hier S. 105.

[11] Vgl. Karl E. Mummenhoff: Wasserburgen in Westfalen. München 1991, S. 42-43.

[12] Vgl. Friedrich Keinemann: Das Domkapitel zu Münster im 18. Jahrhundert. Verfassung/persönliche Zusammensetzung/Parteiverhältnisse. Münster 1967, S. 350-351.

[13] Zur Baugeschichte des Herrenhauses vgl. Karlheinz Haucke: August Reinking. Leben und Werk des westfälischen Architekten und Offiziers. Münster 1991, S. 228-236.

[14] Ebd., S. 229.

[15] Als terminus ante quem kann das Jahr 1848 angenommen werden, das mit den Initialen einer unbekannten Tapetenmanufaktur auf die Rückseite einer Supraporte im kleineren, südlich an den Festsaal angrenzenden Raum gedruckt ist. Vgl. Franz Gathmann: Restaurierungsbericht Stapel. Festsaal, Tapetenzimmer (Teil II). 1994/95, Abb. 59.

[16] Der Begriff 'Tableau' wird hier im Sinne der (ursprünglichen) französischen Bedeutung 'Gemälde' oder 'Schilderung' verwendet. Für eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Terminus in Bildender Kunst, Theater und Wissenschaft im 18. und frühen 19. Jahrhundert siehe Annette Graczyk: Das literarische Tableau zwischen Kunst und Wissenschaft. München 2004.

[17] Tableaux vivants oder Lebende Bilder bezeichnen eine Kunstform, bei der Gemälde oder Skulpturen von einer Personengruppe szenisch auf einer Bühne nachgestellt und damit theatral inszeniert werden. Charakteristisch für diese Gattung ist also die Durchdringung von Bühnenbild und Gemälde. Zunächst in Form von Festzügen in der höfischen Kultur der Renaissance und des Barock zur Verherrlichung von Fürsten verbreitet, erfreuten sich die Lebenden Bilder seit der Aufklärung als Gesellschaftsspiele sowie zur Erziehung und Geschmacksbildung in der bürgerlichen Gesellschaft großer Beliebtheit. Vgl. hierzu Birgit Jooss: Lebende Bilder. Körperliche Nachahmung von Kunstwerken in der Goethezeit. Berlin 1999, einführend bes. S. 19-28.

[18] Vgl. Hans-Peter Bayerdörfer: "Theater im Jahrhundert des 'Bühnenbildes' – Fremdheit im Angebot. Ein kleines theatergeschichtliches Repetitorium, 1770-1840." In: ders. u.a. (Hg.). Bilder des Fremden. Mediale Inszenierung von Alterität im 19. Jahrhundert. Berlin 2007, S. 289-314, Zitat S. 314. Auf die formalen und motivischen Analogien zwischen Bildtapete und Bühne macht Nicole Wild aufmerksam. Ein Bezug zum Tableau vivant wird allerdings weder von ihr noch von anderen Tapetenforschern hergestellt. Vgl. dies.: "The Paris Oper and its Stage Sets." In: Odile Nouvel-Kammerer 2000 (vgl. Anm. 3), S. 178-191.

[19] Zur Figur der Bajadere in der europäischen Imagination vgl. Dorothy Matilda Figueira: The Exotic. A Decadent Quest. Albany 1994, S. 29-45 sowie Binita Mehta: Widows, Pariahs, and Bayadères. India as Spectacle. Lewisburg, London 2002.

[20] Marie Louise Pratt: Imperial Eyes. Travel Writing and Transculturation. London 1992, S.7-11, 111-132.

[21] Vgl. Michel Foucault: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. 30. Auflage. Frankfurt am Main 2003 (französisches Original: Les mots et les choses, 1966), Kap. 10: Die Humanwissenschaften.

[22] Joseph Dufour: Les sauvages de la mer Pacifique, tableaux pour décoration en papier peint. Mâcon 1804, S. 11-12. "Eine Familienmutter mag ihrer aufgeweckten, geistreichen und wissbegierigen kleinen Tochter Unterrichtsstunden in Geschichte und Geografie geben […]" (Ãœbersetzung der Verfasserin).

[23] Mirjam Schleier: "'Flirrende Spiegel'. Annette von Droste-Hülshoffs 'Klänge aus dem Orient'." In: Charis Goer / Michael Hofmann (Hg.). Der Deutschen Morgenland. Bilder des Orients in der deutschen Literatur und Kultur von 1770 bis 1850. München 2008, S. 153-155.

[24] Siehe hierzu die erhaltenen Bibliotheksinventare von 1795 und ca. 1890 (LWL-Archivamt, Archiv Haus Stapel, Akten, Nr. 560 sowie LWL-Archivamt, Archiv Haus Stapel, Bibliothekskatalog 19. Jhd.).

[25] Zur Indomanie im deutschsprachigen Raum vgl. Christine Maillard: "'Indomanie' um 1800: ästhetische, religiöse und ideologische Aspekte." In: Goer / Hofmann 2008 (vgl. Anm. 23), S. 67-83.

[26] Für eine erste Orientierung zur Methode des komparatistischen Sprachvergleichs bei Schlegel vgl. Andrea Polaschegg: "Athen am Nil oder Jerusalem am Ganges? Der Streit um den kulturellen Ursprung um 1800." In: Alexandra Böhm / Monika Sproll (Hg.). Fremde Figuren. Alterisierungen in Kunst, Wissenschaft und Anthropologie um 1800. Würzburg 2008, S. 41-65, besonders S. 52-54. Zum komparatistischen Sprachvergleich allgemein siehe Foucault 2003 (vgl. Anm. 21), S. 342-359.

[27] Im deutschsprachigen Raum wurde diese These v.a. von Johann Gottfried Herder in seinen Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (1784-85) vertreten, in denen er sich auf frühere Schriften von William Jones (1746-94) und Jean Silvain Bailly (1736-93) bezog. Vgl. hierzu Axel Michaelis: "Wissenschaft als Einheit von Religion, Philosophie und Poesie. Die Indologie als frühromantisches Projekt einer ganzheitlichen Wissenschaft." In: Gabriele Brandstetter / Gerhard Neumann (Hg.). Romantische Wissenspoetik. Die Künste und die Wissenschaften um 1800. Würzburg 2004, S. 325-339, hier S. 328.

[28] Im Werbeprospekt der Manufaktur Velay heißt es hierzu: "Ces pagodes ou temples de Brama et des idoles sont de la plus haute antiquité; plusieurs auteurs pensent qu’elles ont pu donner l’idée des fameuses pyramides d’Egypte, par leur forme et leur construction gigantesques", zit. nach Wisse 2001 (vgl. Anm. 3), S. 33. Deutsche Ãœbersetzung durch die Verfasserin: "Diese Pagoden und Tempel der Brahmanen und Götzen sind sehr alt; verschiedene Autoren glauben, dass sie aufgrund ihrer Form und gewaltigen Konstruktion als Vorlagen für die berühmten Pyramiden von Ägypten dienten."

[29] Der Begriff 'Display' findet in Haus Stapel somit nicht nur als konzeptuell-methodischer Referenzrahmen Verwendung, sondern verweist in seiner ursprünglichen Bedeutung auch auf das Ausstellen ('to display') von fremden Kulturen in den eigenen vier Wänden.

[30] Albrecht Koschorke: Geschichte des Horizonts. Grenze und Grenzüberschreitung in literarischen Landschaftsbildern. Frankfurt am Main 1990, S. 138.

[31] Zum Motiv des bewohnbaren Landschaftsraums siehe Eva Börsch-Supan: Garten-, Landschafts- und Paradiesmotive im Innenraum. Eine ikonographische Untersuchung mit 255 Abbildungen. Berlin 1967.

[32] Jonathan Crary: Techniken des Betrachters. Sehen und Moderne im 19. Jahrhundert. Dresden, Basel 1996, S. 13.

[33] Zur Mobilisierung des Blicks, aber nicht des Körpers vgl. Monika Wagner: "Bewegte Bilder und mobile Blicke. Darstellungsstrategien in der Malerei des neunzehnten Jahrhunderts." In: Harro Segeberg (Hg.). Die Mobilisierung des Sehens: Zur Vor- und Frühgeschichte des Films in Literatur und Kunst. Mediengeschichte des Films I. München 1996, S. 171-189.

[34] Ulrich Giersch: "Im fensterlosen Raum – das Medium als Weltbildapparat". In: Sehsucht – Das Panorama als Massenmedium des 19. Jahrhunderts. Ausst. Kat. Bonn 1993, S. 96.

[35] Vgl. Victor Burgin: The Remembered Film. London 2004, S. 23-28.

[36] Zu diesem Begriff vgl. Giuliana Bruno: Atlas of Emotion. Journey in Art, Architecture and Film. London u.a. 2002, S. 193.

[37] Zur Polyfokalität als Methodik und künstlerische Qualität der Moderne vgl. die exemplarische Lesart der durchwandelbaren Vielansichtigkeit des Wörlitzer Gartens bei Werner Hoffmann: Die gespaltene Moderne. München 2004, S. 133-136.

[38] Vgl. Bruno 2002 (vgl. Anm. 36), S. 194-195. Überraschenderweise überträgt Bruno ihr Modell der peripatetischen Körper nicht auf Bildtapetenräume; ihre "inhabitant-spectators" sind immobil, siehe S. 165-168.

[39] Dufour 1804 (vgl. Anm. 22), S. 11. "Wir dachten, man wäre uns dankbar, wenn wir jene Vielzahl von Völkern, welche die unendliche Weite der Ozeane von uns getrennt hat, auf bequeme und anschauliche Weise versammelten, damit sich ein lern- und wissbegieriger Mensch – ohne seine Wohnung zu verlassen, und seine Blicke um sich schweifen lassend – beim Lesen von […] Reiseberichten [….] in die Gegenwart der [dargestellten, A.S.] Personen versetzt fühlt, den Text mit der Darstellung vergleicht, sich für die Unterschiede der Formen, der Kostüme begeistert […]." (Ãœbersetzung der Verfasserin)

[40] Annegret Pelz: "Gehäuse – Bildspender der bewegungslosen Reise." In: Patricia Desroches (Hg.). Construction de l'identité dans la rencontre des cultures chez les auteurs d'expression allemande. II: Le voyage immobile/Die bewegungslose Reise. Saint-Étienne 2009, S. 21-30, Zitat S. 26.

[41] Vgl. Erkki Huhtamo: "Armchair Traveller on the Ford of Jordan. The Home, the Stereoscope and the Virtual Voyager." In: Mediamatic 8 (1995), www.mediamatic.net/5910/en/armchair-traveller-on-the-ford-of-jordan sowie Bruno 2002 (vgl. Anm. 36), S. 157-169.

[42] Vgl. Oskar Bätschmann: Entfernung der Natur. Landschaftsmalerei 1750-1920. Köln 1989, Kap. Grenzüberschreitungen (S. 11-21).

[43] Pelz 2009 (vgl. Anm. 40), Titel.

[44] Walter Benjamin: Das Passagen-Werk I. Hg. von Rolf Tiedemann. Frankfurt am Main 1983, S. 52.

[45] "Im Sinne des Materiellen sind sie bildlicher Ausdruck [Repräsentanten, A.S.] des Realen." (Übersetzung der Verfasserin). Zur Materialität und Bedeutung von Draperie-Tapeten als Zeichenträger vgl. Ulrich Lehmann: "Performance matérielle. Dufour et le matérialisme." In: Bernard Jacqué / Georgette Pastiaux-Thiriat (Hg.). Joseph Dufour. Manufacturier de papier peint. Rennes 2010, S. 237-249, Zitat S. 244.

[46] Vgl. hierzu LWL-Archivamt, Archiv Haus Stapel, Akten, Nr. 560 sowie LWL-Archivamt, Archiv Haus Stapel, Bibliothekskatalog 19. Jhd.

[47] Vgl. Ilse Jahn: "Sammlungen – Aneignungen und Verfügbarkeit." In: Andreas Grote (Hg.). Macrocosmos in microcosmo. Die Welt in der Stube; zur Geschichte des Sammelns 1450 bis 1800. Opladen 1994, S. 475-500, Zitat S. 476.

[48] Zum Naturalienkabinett und der Geschichte des Sammelns siehe exemplarisch Grote 1994 (vgl. Anm. 47).

[49] Unter den Werken, die zur Popularisierung der Naturgeschichte beitrugen, sind vor allem Buffons 36 Bände umfassende Histoire naturelle (1749-1789) und Linnés Systema naturae (erstmals 1735 erschienen) zu nennen.

[50] Vgl. Anke te Heesen: "Geschlossene und transparente Ordnungen. Sammlungsmöbel und ihre Wahrnehmung in der Aufklärungszeit." In: Gabriele Dürbeck (Hg.). Wahrnehmung der Natur, Natur der Wahrnehmung. Studien zur Geschichte visueller Kultur um 1800. Amsterdam 2001, S. 19-34, hier S. 21-22.

[51] Zit. nach te Heesen 2001 (vgl. Anm. 50), S. 21.

[52] August Reinking: Erklärung der Pl[ä]ne zu dem neuzuerbauenden Wohngebäude zu Stapel. 5. Oktober 1818 (LWL-Archivamt, Archiv Haus Stapel, Karten und Pläne, 36).

[53] Hierzu gibt es allerdings keine gesicherten Erkenntnisse. Möglich und denkbar ist auch, dass sich die Naturaliensammlung im kleinen Balkonzimmer befand, in der noch heute zahlreiche Vögel in historischen Glaskästen aufbewahrt werden.

[54] Vgl. Verzeichnis meiner Thiere in Spiritus (unbekannter Verfasser) [LWL-Archivamt, Archiv Haus Stapel, Akten, Nr. 559].

[55] Vgl. Robert Huxley (Hg.): The Great Naturalists. London 2007, S. 133-139.

[56] Zur fortstreitenden Spezialisierung beim Sammeln in Naturalienkabinetten vgl. te Heesen 2001 (vgl. Anm. 50), S. 29-30.

[57] Foucault 2003 (vgl. Anm. 21), S. 410.

[58] Vgl. ebd., S. 413-462.

[59] Zum Topos des Fensters bei Alberti siehe Gerd Blum: "Fenestra prospectiva – Das Fenster als symbolische Form bei Leon Battista Alberti und im Herzogspalast von Urbino." In: Joachim Poeschke / Candida Syndikus (Hg.). Leon Battista Alberti. Humanist, Architekt, Kunsttheoretiker. Münster 2008, S. 77-122.

[60] Der englische Prachtband wurde vom Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz digitalisiert und ist online zugänglich unter www.dilibri.de/rlb/content/titleinfo/202322. Zu Christian Georg Schütz d. J., der in der Kunstgeschichtsschreibung gerade wiederentdeckt wird, siehe Gerhard Kölsch: "Malerische Reise an den Rhein. Christian Georg Schütz der Vetter." In: Peter Forster / Irene Haberland / Gerhard Kölsch (Hg.). Rheinromantik. Kunst und Natur. Ausst. Kat. Museum Wiesbaden. Regensburg 2013, S. 320-327.

[61] Christian Georg Schütz’ Darstellung des Loreley-Felsens ist die erste bildliche Darstellung dieses Motivs. Erst in den 1830er Jahren setzt sich die Ikonografie der auf einem Felsen sitzenden weiblichen Personifikation durch, die Männer an den Untiefen des Rheins ins Unglück zieht. Vgl. hierzu Mario Kramp / Matthias Schmandt (Hg.): Die Loreley – ein Fels im Rhein. Ein deutscher Traum. Mainz 2004.

[62] Benedict Anderson: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts. Berlin 1998 (amerikanisches Original: Imagined communities. Reflections on the origin and spread of nationalism, 1983), S. 1-76, bes. Kap. "Ursprünge des Nationalbewusstseins".

[63] Vgl. Horst Johannes Tümmers: Der Rhein. Ein europäischer Fluss und seine Geschichte. München 1999, S. 125-127.

[64] Friedrich Schlegel: "Reise nach Frankreich." In: Europa 1 (1803), S. 5-40, Zitat S. 15.

[65] Ebd.

[66] Zum Europa-Verständnis Friedrich Schlegels, das zwischen nationalstaatlichen Interessen und zeitgenössischen Europa-Diskursen oszilliert, siehe Matthias Schöning: "Im Zeichen Europas. Friedrich Schlegels topographische Neuordnung seines Denkens." In: Athenäum 18 (2008), S. 123-138.

[67] August Wilhelm Schlegel: "'Einleitung' zu den 'Vorlesungen über die romantische Literatur' (1803-04)." In: ders.: Kritische Ausgabe der Vorlesungen II/1: Vorlesungen über Ästhetik (1803-1827). Hg. von Georg Braungart. Paderborn u.a. 2007, S. 1-27, hier S. 25-26.

[68] Vgl. hierzu Ulrich Fröschle: "'Deutschland als der Orient Europa's'. August Wilhelm Schlegel und die Rhetorik des 'unscheinbaren Keime[s]'." In: York-Gothart Mix / Jochen Strobel (Hg.). Der Europäer August Wilhelm Schlegel. Romantischer Kulturtransfer – romantische Wissenswelten. Berlin u.a. 2010, S. 275-292, Zitat S. 287.

[69] Vgl. Gertrude Cepl-Kaufmann / Antje Johanning: Mythos Rhein. Zur Kulturgeschichte eines Stromes. Darmstadt 2003, S. 74-75.

[70] Zur Vorstellung der Grenze bei Fichte vgl. Thomas Müller: Imaginierter Westen. Das Konzept des 'deutschen Westraums' im völkischen Diskurs zwischen Politischer Romantik und Nationalsozialismus. Bielefeld 2009, S. 68-69.

[71] Zu Arndt siehe Susanne Kiewitz: Poetische Rheinlandschaft. Die Geschichte des Rheins in der Lyrik des 19. Jahrhunderts. Köln 2003, S. 134-141 sowie Cepl-Kaufmann / Johanning 2003 (vgl. Anm. 69), S. 194.

[72] Vgl. Cepl-Kaufmann / Johanning 2003 (vgl. Anm. 69), S. 168-179.

[73] Bernhard Struck: "Vom offenen Raum zum nationalen Territorium. Wahrnehmung, Erfindung und Historizität von Grenzen in der deutschen Reiseliteratur über Polen und Frankreich um 1800." In: Etienne François / Jörg Seifarth / Bernhard Struck (Hg.). Die Grenze als Raum, Erfahrung und Konstruktion. Deutschland, Frankreich und Polen vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main 2007, S. 77-104.

[74] Zum Rheintourismus vgl. Benedikt Bock: Baedeker & Cook. Tourismus am Mittelrhein, 1756 bis ca. 1914. Frankfurt am Main 2010.

[75] Siehe hierzu die Dissertation von Jan Werquet, in der der Autor eine Neubewertung der Bau- und Restaurierungspolitik unter Friedrich Wilhelm IV. im Spannungsfeld von Rheinromantik, Historismus und Herrschaftsrepräsentation entwirft: Jan Werquet: Historismus und Repräsentation. Die Baupolitik Friedrich Wilhelms IV. in der preußischen Rheinprovinz. Berlin 2010.

[76] Zum Begriff der Erinnerungslandschaft vgl. Rudy J. Koshar: "Die deutsche Erinnerungslandschaft 1871-1990." In: Wolfram Martini (Hg.). Architektur und Erinnerung. Göttingen 2000, S. 191-203. Werquet spricht vom Rhein als "historischer (Kultur-)Landschaft", siehe Werquet 2010 (vgl. Anm. 75), S. 348-354.

[77] Elke Krasny: "Binnenexotismus und Binnenkolonialismus. 'Das Bauernhaus mit seiner Einrichtung und seinem Geräthe' auf der Wiener Weltausstellung von 1873." In: Anita Aigner (Hg.). Vernakulare Moderne. Grenzüberschreitungen in der Architektur um 1900. Das Bauernhaus und seine Aneignung. Bielefeld 2010, S. 37-55, Zitat S. 41. Der Begriff des Binnenexotischen geht auf Hermann Bausinger zurück, vgl. hierzu seine Publikationen Fremde Nähe. Auf Seitenwegen zum Ziel. Essays. Tübingen 2002 sowie Volkskunde. Von der Altertumsforschung zur Kulturanalyse. 11. Auflage. Tübingen 1999, bes. Kap. "Folkore als Gegenwelt".

[78] Vgl. hierzu De Certeau 1988 (vgl. Anm. 7), S. 192-197.

[79] Die von De Certeau konstatierte Spaltung von Blick und Körper, die dieser an der Unterscheidung von Karte (als "totalisierende[r] Planierung von Beobachtungen") und Wegstrecke (als "diskursive[r] Reihe von Handlungen") festmacht, kann für das Wohn-Display und insbesondere für tapezierte Wohnlandschaften, deren Raumwahrnehmung auf Akten des Sehens und Bewegens beruht, nicht aufrechterhalten werden. Vgl. hierzu auch Nierhaus 2010 (vgl. Anm. 6), S. 30-31. Zur Wegstrecke und Karte bei De Certeau vgl. ders. 1988 (vgl. Anm. 7), S. 220-226.

[80] Vgl. hierzu Polaschegg 2008 (vgl. Anm. 26), S. 41-65.

[81] Siehe Andrea Polaschegg: Der andere Orientalismus. Regeln deutsch-morgenländischer Imagination im 19. Jahrhundert. Berlin 2005, S. 63-101.

[82] Auf die Analogiebildung von Orient und Indien im Kontext von August Wilhelm Schlegels Metaphorik intellektueller Selbstermächtigung der Deutschen macht auch Fröschle aufmerksam, allerdings ohne die Verknüpfung mit der Rheinthematik. Vgl. Fröschle (wie Anm. 68), S. 286-289.

[83] Ähnlich argumentiert Eck im Zusammenhang mit Dufours Telemaque- sowie Amor-und-Psyche-Tapete mit Verweis auf den Tapetenforscher Henri Clouzot: "Der Raum kann zur Bühne der sich vor einer solchen Kulisse im Alltag bewegenden Bewohnerinnen und Bewohner werden", siehe Eck 2012 (vgl. Anm. 3), S. 306.

[84] De Certeau 1988 (vgl. Anm. 7), S. 228.

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erstellt von Astrid Silvia Schönhagen zuletzt verändert: 18.11.2019 13:20
Mitwirkende: Schönhagen, Astrid Silvia
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