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Eheschließung auf japanisch

  1. Naomi Ekset

Zusammenfassung

Hochzeiten sind Feste, die in der Regel von lokalen Traditionen bestimmt werden. Anders in Japan: Japanische Paare orientieren sich bei ihrer Hochzeit sehr häufig nicht mehr an der eigenen kulturellen Überlieferung, sondern kopieren westlich-christliche Hochzeitsfeiern mit langen weißen Brautkleidern und gotischen Kapellen. Rund um diese Hochzeitskultur existiert eine Infrastruktur aus kopierten Bauten, Kulissen und Atmosphären.

Keywords

 

Der Bund fürs Leben ist in Japan eine ernste Angelegenheit – so ernst, das auf Hochzeitsfotos keinesfalls gelächelt werden darf. Immerhin heiraten nicht zwei Individuen, sondern zwei Familien. Mit dem Tag der Eheschließung verlässt die Braut nicht nur formell die eigene Familie: Fortan haben Schwiegereltern, Schwäger und bisher unbekannte Onkel und Tanten das Sagen, wenn es um die Gestaltung von Familienfesten, die Erziehung der Kinder und andere wichtige Entscheidungen geht. Vielleicht um dem Ereignis zumindest nach Außen hin die Schwere zu nehmen, entscheidet sich heutzutage die Mehrheit der Japaner für eine Hochzeitsfeier im westlichen Stil, was auf Ausländer oft wirkt wie eine Raubkopie einer amerikanischen Trauung. Statt ihrem Mann wie früher fest eingeschnürt im engen Kimono, in Holzsandalen und weißer Haube das Jawort zu geben, träumen vor allem die Frauen des Landes von einer Hochzeit in Weiß, um sich einmal im Leben wie eine Prinzessin fühlen zu können. Da den meisten Heiratswilligen die nötigen Räumlichkeit und Expertise fehlt, geben sie die Organisation oft gleich in professionelle Hände. Dass am Ehrentag alles nach Plan läuft, dafür sorgen unter anderem börsengelistete Firmen wie "Zwei", "Best Bridal" oder "Take and Give Needs".

 

    

Hotelkapellen, neben oder auf dem Gebäude eines Hotels. Fotos: OpenCage (links www.flickr.com vgl. hier), st3f4n (rechts www.flickr.com vgl. hier)

  

Und noch mehr Hotelkapellen. Fotos: tiseb (oben:www.flickr.com vgl. hier), jeremydeades (unten: www.flickr.com vgl. hier).

 

Für einige zehntausend Euro organisieren sie in nachgebauten Hotel-Kapellen "weiße" Hochzeiten im 40-Minuten-Takt. Das Brautkleid und die in die Decken eingebauten Kameras für das Hochzeitsvideo sind echt – der angemietete ausländische Priester nicht. Was es mit Hostien und dem "Amen" während der Zeremonie auf sich hat, erfahren die buddhistischen Gäste im Schnelldurchgang. Kaum ist die Trauung vorbei, geht es weiter zum Festmenü mit mindestens sieben Gängen. Auch die weitere Abfolge der Feier ist minutiös festgelegt, und bei jeder Hochzeit gleich. Zwei Stunden später, nachdem die Braut mindestens einmal die Garderobe in ein Abendkleid gewechselt, einen tränenreichen Dankesbrief an ihre Eltern verlesen, zusammen mit ihrem frischangetrauten Gatten mehrere Kerzen angezündet, Fotos mit allen anwesenden Gästen gemacht sowie die mehrstöckige Hochzeitstorte – häufig aus Plastik mit nur einem Stück Kuchen darin – angeschnitten hat, ist das Fest vorbei. Dann geht es ab zur zweistündigen "Nachfeier" mit Freunden, wobei das völlig gestresste Brautpaar meist zum ersten Mal seit Stunden die Gelegenheit hat, selbst einen Bissen zu Essen.

 

Das New Grand Hotel in Kanazawa verfügt über zwei Hochzeitsräume, einen "klassischen" Shinto-Raum und eine "christliche" Hochzeitskapelle. Offensichtlich ist hier der "Look" wichtiger als der Ritus. Fotos: jpellgen (www.flickr.com vgl. hier und hier).

 

Doch das eingespielte Zeremoniell, das für Millionen von Japanern wunderbar funktionierte, ist manchen nicht mehr individuell genug. Eine wachsende Zahl von Hochzeits-Aspiranten wünscht sich eine individuellere Atmosphäre – und setzt auf "House Style Weddings". Statt Hotels werden dazu extra errichtete Gebäude in europäischem Baustil angemietet. Gospel-Sänger, Kinderchöre und andere Events sorgen für die "persönliche" Note. Wem das nicht reicht, dem bieten die Profi-Organisatoren Trauungen im Ausland an – mit Hochzeitskleid, Zeremonie, Flugtickets und Hotelübernachtung für Brautleute und Gäste. Nicht mehr lange und jemand kommt auf die originelle Idee, einen echten Priester zu engagieren.

 

Tradition und American Dream. Fotos von Bistrosavage (www.flickr.de vgl. hier) und LonelyBob (www.flickr.de vgl. hier).

 

Wedding Resort mit Kapelle in Fukuoka. Foto von St Stev (www.flickr.com vgl. hier).

Volltext

Lizenz

Jedermann darf dieses Werk unter den Bedingungen der Digital Peer Publishing Lizenz elektronisch über­mitteln und zum Download bereit­stellen. Der Lizenztext ist im Internet unter der Adresse http://www.dipp.nrw.de/lizenzen/dppl/dppl/DPPL_v2_de_06-2004.html abrufbar.

erstellt von Naomi Ekset zuletzt verändert: 18.11.2019 13:20
Mitwirkende: Ekset, Naomi
DPPL