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Das Einpacken der Häuser

Herstellung und Instandhaltung von Gebäuden im Zeichen der Haltbarkeit

  1. Professor Christoph Mäckler Prof. Christoph Mäckler Architekten

Zusammenfassung

Die Einmaligkeit städtischer Ortsbilder ist in den letzten Jahrzehnten von Gewerbegebieten, Trabantenstädten, überdimensionierten Verkehrsbauwerken oder anderen Fehlentwicklungen modernen Städtebaus nachhaltig ge- und zerstört worden. Derzeit rollt eine neue Welle von optischen Beeinträchtigungen auf die erhaltenen Ortslagen von besonderer Ausstrahlungskraft heran. 25 Prozent des Energiebedarfes der Bundesrepublik Deutschland wird im Bereich der privater Haushalte benötigt, das Einpacken des Hausbestandes mit Wärmedämmmaterialien erscheint meist als einfachstes Mittel zur Reduzierung des Energieverbrauches. Die Verdämmung von Bauten mit außenliegenden Schichten erzeugt aber entscheidende Verluste: an Gestaltqualität, Materialität und historischer Wirkung. Dabei wird häufig vergessen, dass ökonomische und soziale Nachhaltigkeit in der Stadtentwicklung auch von der Qualität des Stadtbildes abhängt.

Keywords

 

Wer in Deutschland über die Bundesautobahnen fährt, findet am Straßenrand seit einiger Zeit braun eingefärbte Schilder, die auf sogenannte "historische Altstädte" hinweisen. Was immer mit der Zusammensetzung dieses etwas merkwürdigen Begriffes aus "historisch" und "alt" gemeint ist, die Schilder dokumentieren eine deutlich spürbare Besinnung der Gesellschaft auf das Bild der alten Stadt in Deutschland.

Doch es sind nicht die Bilder der in die Landschaft malerisch eingebetteten Stadt, wie man sie von alten Stadtansichten kennt und von denen in Texten zur Stadtbaukunst noch am Beginn des 20. Jahrhunderts zu lesen war, sondern Stadtbilder, die sich nur noch im Ortskern einiger Städte wiederfinden lassen.

Am Stadtrand wurde die Schönheit des Ortsbildes in den letzten Jahrzehnten von Gewerbegebieten, Trabantenstädten, überdimensionierten Verkehrsbauwerken oder anderen Fehlentwicklungen modernen Städtebaus nachhaltig zerstört. Natürlich hätte man diese Zerstörungen weitgehend vermeiden können und könnte dies auch heute. Denn es gibt sie nicht, die "unplanbare Stadt", wie sie uns der eine oder andere Stadtplaner in den letzten Jahren wortgewaltig nahezubringen suchte.

Die Zerstörung der Schönheit der Stadt ist gerade das Ergebnis unserer aufwändigen und halbbürokratischen Stadtplanungspolitik. Ihre Ursache ist vor allem in der Trennung der Planungsdisziplinen und deren isolierter Vermittlung an unseren Universitäten zu suchen. So erhalten der Stadt- und Raumplaner, der Verkehrsplaner und nicht zu vergessen der Architekt grundsätzlich unterschiedliche, ja gegensätzliche Ausbildungen, obwohl sie alle in ihrem Berufsleben mit der Planung der Stadt befasst sind.

Dem Raumplanerstudium fehlt die Grundlage der Architekturausbildung. Wie aber kann man eine Stadt planen, ohne die Gesetzmäßigkeiten der Architektur zu kennen?

Das Architekturstudium hat sich in den letzten Jahrzehnten auf den möglichst originellen Entwurf des Hauses konzentriert, ohne dass die Bau- und Stadtbaugeschichte des Ortes dabei eine nennenswerte Rolle gespielt hätte.

Das Studium des Verkehrsplaners richtet sich weitgehend nach technischen Aspekten. Der Begriff der Schönheit ist diesem Berufszweig der Ingenieurwissenschaften wesensfremd.

Jede einzelne dieser Berufsgruppen aber hält ihre Disziplin für die Königsdisziplin und ist wenig gewillt, sich dem Diktum der Stadtgestalt unter zu ordnen oder den Begriff der Stadtbaukunst überhaupt anzuerkennen. Diesen wichtigsten Disziplinen zur Planung der Stadt wird sich zukünftig eine weitere Berufsgruppe hinzu gesellen, nämlich die des Energieberaters.

25 Prozent des Energiebedarfes der Bundesrepublik Deutschland wird im Bereich der privaten Haushalte und 30 Prozent im Bereich des Verkehrs benötigt. Es besteht demnach also dringender Handlungsbedarf, den Energiebedarf im Städtebau zu minimieren. Da das Einpacken des Hausbestandes mit Wärmedämmmaterialien zur Zeit scheinbar das einzige Mittel zur Reduzierung des Energieverbrauches darstellt, rollt mit den politischen Beschlüssen der Europäischen Union zur Energieeinsparung eine weitere Zerstörungswelle auf die Städte zu, die diesmal vor allem die Schönheit der alten Stadtzentren treffen wird.

Will man dieses verhindern, ist ein grundsätzlich anderer Ansatz der Energieeinsparungsmaßnahmen gefragt. Es wird darum gehen, mit dauerhaft haltbaren Materialien, die auch in der Langzeitperspektive, in ihrer Herstellung, Instandhaltung und Entsorgung eine günstige Energiebilanz aufweisen, vorhandene Gebäude energetisch zu verbessern und sie dabei gleichzeitig in ihrer Qualität zu bewahren oder zu optimieren, statt ihre Schönheit zu zerstören.

Es ist ganz undenkbar, dass ganze Fachwerkstädte oder die wunderbaren Stadtbilder von Landshut, Lübeck, Regensburg, Görlitz, die Siedlungsbauten der 20er Jahre von Ernst May in Frankfurt am Main, von Bruno Taut in Berlin oder auch die herrlichen Gründerzeit -Viertel in München, Leipzig und Hamburg hinter Wärmedämmstoffen verschwinden.

Wie so etwas aussehen wird und mit welch brachialen Mitteln unsere Baukultur zerstört werden könnte, wenn dem Einpacken der Häuser keine technischen Alternativen entgegengesetzt werden, mag dem Beispiel eines städtischen Wohnkomplexes in Dortmund entnommen werden. Das Foto (siehe Abbildungen) des 80 Jahre alten Hauseinganges vor und nach der "Sanierung zur Energieeinsparung" verdeutlicht drastisch den nachhaltigen Schaden, den unsere Städte nehmen werden.

Dortmund. Haus Kronprinzenstraße 125 vor und nach Verdämmung der Fassade mit einem Wärmedämmverbundsystem (2009/2010).

Das staatlich subventionierte Ergebnis ist dabei nicht nur "unschön", sondern auch konstruktiv nicht dauerhaft, es produziert die Sondermüllberge von morgen und zerstört schließlich das geliebte Straßenbild, das eine Identifikationsmöglichkeit für die Bewohner ist.

Nur die Bauwerke, die dem Denkmalschutz unterliegen oder von besonderem gestalterischem Wert sind, werden vor solchen Verschandelungen geschützt. Denkmalgeschützt sind in Deutschland aber nur drei Prozent des Baubestandes. Dabei steht außer Zweifel, dass auch die denkmalgeschützten Bauten auf Dauer von der Notwendigkeit, an ihnen Energieeinsparungsmaßnahmen vorzunehmen, nicht ausgenommen werden können. Denn welcher Hausbesitzer wollte, bei steigenden Energiekosten, den möglichen wirtschaftlichen Nachteil auf Dauer hinnehmen, der ihm bei der Vermietung seines denkmalgeschützten, energietechnisch aber veralteten Hauses auf dem Markt entsteht?

Um hier zu tragfähigen alternativen Ansätzen zu gelangen ist es notwendig, die energietechnische Leistung der Fassadenwand im Zusammenhang mit dem sie umgebenden Stadtraum und seinen Qualitäten zu sehen. Grundsätzlich gilt es bei der Betrachtung der energietechnischen Aspekte, nicht alleine den kurzfristigen im Labor ermittelten Wärmedurchgangskoeffizienten zu beachten, sondern auch die mittelfristigen Wärmespeicherkapazitäten sowie die langfristigen Herstellungs-, Instandhaltungs- und Entsorgungsenergien.Hinzu kommt die Betrachtung der städtebaulichen Aspekte. Ein frei stehendes Haus auf der grünen Wiese ist in seiner Energieeffizienz dem im Stadtviertel integrierten von Gebäuden umgebenen Haus grundsätzlich unterlegen. Hinzu kommt, dass mit einer städtischen Bebauung klar verständliche und interessante Stadträume, die in ihrer regionalen Diversität der Bevölkerung Identifikationsmöglichkeiten bieten, erhalten und gestärkt werden.

Die Qualität des Stadtbildes hat auch, und dies wird gerne vergessen, einen entscheidenden Einfluss auf die ökonomische und soziale Nachhaltigkeit der Stadtentwicklung.

Wir müssen lernen, die Frage nach der Energieeinsparung und der Reduzierung des CO2 -Ausstoßes in den gesamten städtischen Zusammenhang einzubetten. Und wir müssen lernen, dass eine Stadt nur ökologisch nachhaltig sein kann, wenn sie auch dauerhaft und schön ist.

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Jedermann darf dieses Werk unter den Bedingungen der Digital Peer Publishing Lizenz elektronisch über­mitteln und zum Download bereit­stellen. Der Lizenztext ist im Internet unter der Adresse http://www.dipp.nrw.de/lizenzen/dppl/dppl/DPPL_v2_de_06-2004.html abrufbar.

erstellt von Christoph Mäckler zuletzt verändert: 19.11.2019 09:39
Mitwirkende: Mäckler, Christoph
DPPL