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Das Museum Plagiarius in Solingen

  1. Dipl.-Ing. Caroline Helmenstein RWTH Aachen

Zusammenfassung

"Das Original ist links zu sehen, das Plagiat rechts." Dieses Konzept liegt der Ausstellung von über 250 scheinbaren Zwillingen im Solinger Museum Plagiarius zugrunde. Ziel des Museums ist es, den Besuchern anschaulich die Bandbreite von Nachahmungen, Fälschungen und Raubkopien vor Augen zu führen und sie für die immensen Schäden zu sensibilisieren, die durch die Missachtung geistigen Eigentums entstehen.

Keywords

Caroline Helmenstein (Aachen)

Das Museum Plagiarius in Solingen

 
urn:nbn:de:0009-21-18599

 

"Das Original ist links zu sehen, das Plagiat rechts." Dieses Konzept liegt der Ausstellung von über 250 scheinbaren Zwillingen im Solinger Museum Plagiarius zugrunde. Ziel des Museums ist es, den Besuchern anschaulich die Bandbreite von Nachahmungen, Fälschungen und Raubkopien vor Augen zu führen und sie für die immensen Schäden zu sensibilisieren, die durch die Missachtung geistigen Eigentums entstehen.

Der Blick wandert über Ausstellungsstücke aus den unterschiedlichsten Branchen im direkten Vergleich: von Möbeln über Werkzeugmaschinen hin zu Kinderspielzeug. Den größten Teil umfassen jedoch Haushaltsartikel. Unter diesen befindet sich auch das Kernstück der weltweit einzigartigen Sammlung: eine von dem Designer Rido Busse 1965 entworfene Briefwaage sowie deren Plagiat, das er im Jahre 1977 auf der Frankfurter Konsumgütermesse "Ambiente" entdeckte – angeboten von einem Hersteller aus Hongkong. Noch im selben Jahr rief Professor Busse den Negativpreis "Plagiarius" ins Leben, um die Öffentlichkeit auf dieses Problem aufmerksam zu machen. Der Preis wird seitdem jährlich auf der "Ambiente" in Form eines schwarzen Gartenzwerges mit goldener Nase verliehen. Ausgezeichnet und somit angeprangert werden Unternehmen, die Plagiate herstellen oder vertreiben. In den vergangenen drei Jahrzehnten konnte aus der Vielzahl der Preisträger eine beachtliche Sammlung von Originalen und Plagiaten aufgebaut werden, die zwischen 2001 und 2003 bereits in Berlin zu sehen war und nun seit dem 1. April 2007 auf dem Gelände des Solinger Südparks in einem eigenen Museum ihren Platz gefunden hat.

Der Südpark Solingen

Der Südpark wurde im Rahmen der Regionale 2006 und der daraus resultierenden Neugestaltung der Südlichen Innenstadt auf der Bahnbrache am ehemaligen Hauptbahnhof angelegt. Das neu geschaffene städtische Quartier hat sich ganz der designorientierten Nutzung verschrieben. Den Mittelpunkt des Südparkgeländes bildet das denkmalgeschützte Gebäude des alten Solinger Hauptbahnhofes, der vor allem durch die prägnante, behutsam restaurierte Pavillonhalle aus den Fünfziger Jahren hervorsticht. Hier befindet sich das Forum Produktdesign, an das sich unter anderem eine Designbibliothek sowie ein Restaurant angliedern. In den zu unterschiedlich großen Ateliers, Werkstätten und Wohnungen umgebauten ehemaligen Güterhallen arbeiten und leben ergänzend dazu Künstler und Kunsthandwerker. Im Osten schließt etwas abgesetzt das so genannte StückGUT in der einstigen Albrecht-Halle an, in dem sich eine kleine Gastronomie befindet und Ausstellungen der benachbarten Künstler stattfinden können. Der Kopfbau im Westen der Güterhallen schließlich beherbergt das Museum Plagiarius (Abb. 1).

Im Kopfbau der umgenutzten Güterhallen des ehemaligen Solinger Hauptbahnhofes befindet sich das Museum Plagiarius. Foto Özkan Bucakli, Aachen.

Das Museum

Für die schwierige Entwurfsaufgabe ein einzigartiges Original für die Beherbergung zahlreicher Plagiate und Fälschungen zu schaffen wurde Architekt Reinhard Angelis aus Köln gewonnen, der zuvor bereits die Umgestaltung der Güterhallen sowie die Sanierung der StückGUT-Halle durchgeführt hatte. Das Museum Plagiarius gliedert sich in zwei Gebäudeteile, die durch eine umlaufende gläserne Fuge gleichzeitig verbunden und voneinander abgesetzt sind (Abb. 2). Einerseits die Räumlichkeiten des Museums, die auf zwei Etagen eines ehemals den Güterhallen zugehörigen Gebäudes untergebracht sind. Andererseits den auffallenden Neubau des Foyers, der den Güterhallen anstelle eines Treppenanbaus vorgesetzt wurde und die beiden Geschosse des Museums verbindet.

Eine gläserne Fuge setzt den Foyerneubau des Architekten Reinhard Angelis von den Museumsräumen im orange gestrichenen Altbau ab. Foto Özkan Bucakli, Aachen.

Die ungewöhnliche architektonische Gestaltung des Foyers wurde angeregt durch die Idee, wie ein Plagiator die Formensprache der Umgebung aufzunehmen, diese aber dann soweit zu verfremden, dass ein eigenständiges Werk entsteht, welches jedoch immer noch an die Vorbilder erinnert. So erhebt sich über einem niedrigen Betonsockel die Kontur eines Satteldachhauses, womit eindeutig Bezug auf die Gebäudeform der Güterhallen genommen wird. Durch die Übersetzung dieser altbekannten Form in unüblichen Materialien setzt sich das Foyer allerdings auch deutlich von diesen ab. Angelis wählte weich gepolsterte Kunststoffbahnen, die sich über Seitenfassaden und Dach ziehen und mit ihren runden Ausformungen einer Luftmatratze ähneln (Abb. 3). Nach außen öffnet sich das Foyer über eine die gesamte Giebelseite einnehmende transparente Fassade zum Straßenraum, die ebenfalls Assoziationen weckt. Sie ist aus zahlreichen unterschiedlich großen Fensterelementen zusammengesetzt und erinnert in ihrer Gliederung an Fachwerk oder unregelmäßig geschichtetes Bruchsteinmauerwerk. In das Spiel der Fensterformate ist in der linken Hälfte der Fassade der Eingang integriert, der durch eine aus der Fassade kragende Bedachung hervorgehoben wird (Abb. 4).

Kunststoffpolster ziehen sich über Seitenfassaden und Dach und rahmen die Fassade. Foto Özkan Bucakli, Aachen.

Das Foyer führt die Satteldachform der Güterhallen fort – verfremdet durch eine ungewöhnliche Materialwahl –, die Fassadengliederung soll an Fachwerk erinnern. Foto Özkan Bucakli, Aachen.

Der Foyerneubau verleitet durch seine ungewöhnliche Außengestalt zufällig vorbeikommende Fußgänger und Radfahrer dazu, neugierig einen Blick durch die Fassade zu werfen und schafft es auf diese Weise, Interesse für seinen einzigartigen Inhalt zu wecken. Ob das kleine Gebäude rein Architekturinteressierte anzieht, bleibt trotz der originellen Umsetzung der Idee, mit den Motiven der Umgebung zu spielen, und der sorgfältigen Ausführung offen.

Im Inneren

Betritt man das Gebäude, leitet eine freistehende Betonwand nach rechts, und man erreicht über einige Stufen das Niveau des Empfangsbereiches, der mit einer schlichten Theke möbliert ist (Abb. 5). Auf diesem Weg empfängt den Besucher der schwarze Zwerg mit goldener Nase, der in einer hochrechteckigen Aussparung seinen vorbestimmten Platz eingenommen hat. Der Eindruck ist einladend. Die halbhohe Wand gliedert das lichte, über alle Geschosse offene Foyer unauffällig in drei Bereiche: Neben dem Empfangsbereich wird eine Art Windfang ausgebildet sowie der Bereich der Treppe definiert.

An der Empfangstheke wird der Besucher von der Figur des "Plagiarius" begrüßt. Durch die Fassade ist die Pavillonhalle des denkmalgeschützten Hauptbahnhofes zu sehen. Foto Özkan Bucakli, Aachen.

Von ersterem führt ein breiter Durchgang in den von Architekt Reinhard Angelis zurückhaltend gestalteten Ausstellungsraum. Dieser bietet auf etwa 130 Quadratmetern Fläche gerade ausreichend Platz für die umfangreiche Sammlung an Originalen und Plagiaten. Die Ausstellungsstücke werden in einfachen Vitrinen und auf schlichten, weißen Podesten unterschiedlicher Höhe präsentiert, die den Raum gliedern. Die Wände sind weiß gestrichen und raumhohe Fenster ermöglichen die natürliche Belichtung von Norden und Süden. Ergänzend dazu erfolgt die künstliche Beleuchtung des Ausstellungsraumes einerseits indirekt über Kassetten in der Decke, andererseits sorgen Strahler, die gezielt einzelne Exponate ausleuchten, für zusätzliches Licht. So kann sich die Aufmerksamkeit des Besuchers ohne Ablenkung auf die Ausstellungsstücke konzentrieren (Abb. 6).

Die zurückhaltende Gestaltung des Ausstellungsraumes und die gezielte Beleuchtung unterstützen die Konzentration auf die Exponate. Foto Özkan Bucakli, Aachen.

Das Obergeschoss

Eine zweiläufige Treppe aus gefalteten Stahlplatten führt vom Foyer aus in das Obergeschoss des Museums, wo ergänzend zur Dauerausstellung im Erdgeschoss wechselnde Sonderausstellungen gezeigt werden. Auf dem Weg nach oben wird man von einem filigran gestalteten Geländer begleitet: dünne, über Kreuz gespannte Stahlseile bilden unter einem hölzernen Handlauf die Geländerausfachung. Die gläserne Fuge sorgt hier für Licht (Abb. 7). Die Treppe endet auf einem in das Foyer ragenden Podest, von dem aus sich vielfältige Seheindrücke bieten: durch die vollständig verglaste Fassade, mittels derer sich das Foyer nach Westen öffnet, wird der Blick von den gegenüberliegenden Gebäuden des ehemaligen Hauptbahnhofs angezogen, kehrt dann aber wieder zurück zum Inneren, das der Besucher nun aus einer neuen Perspektive wahrnimmt. So auch die von runden Stahlstützen getragene Unterkonstruktion des Daches.

Die Stahltreppe ins Obergeschoss wird von einem feingliedrigen Geländer begleitet. Der orangefarbene Anstrich der Wand lässt den Besucher wissen, dass der Altbau ehemals hier endete. Foto Özkan Bucakli, Aachen.

Das Obergeschoss des Museums ist durch einen Versorgungskern mit kleineren Nebenräumen in einen für Besucher nicht zugänglichen Aufenthaltsraum und einen Vortragsraum mit Konferenztisch unterteilt. Im zum Foyer halb offenen Zugangsbereich erscheint die Möblierung etwas gedrängt, da die wenigen Freiflächen mit den Vitrinen der Sonderausstellungen besetzt sind. Hier kommt bei dem Betrachter der Wunsch auf, sich den interessanten Spezialthemen, zurzeit beispielsweise 139 chinesische Tempo-Taschentuch-Plagiate, im dafür besser geeigneten Ausstellungsraum widmen zu können. Vielleicht bietet sich im Zuge einer Umgruppierung irgendwann die Möglichkeit dazu. Die Sammlung wird auf jeden Fall stetig anwachsen, durch viele Plagiarius-Verleihungen, die sicher noch folgen werden.

Volltext

Lizenz

Jedermann darf dieses Werk unter den Bedingungen der Digital Peer Publishing Lizenz elektronisch über­mitteln und zum Download bereit­stellen. Der Lizenztext ist im Internet unter der Adresse http://www.dipp.nrw.de/lizenzen/dppl/dppl/DPPL_v2_de_06-2004.html abrufbar.

erstellt von Caroline Helmenstein zuletzt verändert: 18.11.2019 14:20
Mitwirkende: Helmenstein, Caroline
DPPL