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fragment

erstellt von Karl R. Kegler zuletzt verändert: 24.03.2021 20:21

Call for Papers: archimaera #10: FRAGMENT

(Read this Call for Papers in English)

Das Fragment – zugleich Überbleibsel und Zeuge der Erosion – entfaltet in allen Bereichen der Kunst stets seine auratische Präsenz. Die Anziehungskraft, die es in Kunst, Literatur und Philosophie ausübt, scheint spätestens seit seiner theoretischen Fixierung in der Frühromantik ungebrochen zu sein. Reste, Risse, Lücken oder Brüche geben der Kunst einen neuen Ausdruck; verstummende Stimmen, abgebrochene Gesten, unvollendete Verse im fragmentarischen Schreiben, Dissonanzen, Verfremdungen und Verzerrungen verändern Klang und Ausdruck aller Formen der Darstellung. Das Fragment verkörpert die radikale Geste der Befreiung der Kunst von der Idee des ästhetisch Schönen, Harmonischen und Ganzen.

In der Architektur findet das Fragment zunächst Eingang im Motiv der Spoglia, des Vestigium oder der Ruine. Hier ist es zunächst stiller Zeuge der Veränderung, des Verfalls und des Umbruchs. Vom Bild der gebrochenen Form (das Insignum des Fragments) bis zum Fragmentarischen als Qualität der architektonischen Ordnung eröffnet sich das Fragment als zwischen Bild und Begriff oszillierendes Instrument der Kritik. Als solches stellt es in der Architektur legitimierte Totalitätskategorien und Autoritätsformeln der Raumgestaltung wie Symmetrie, Proportion und Harmonielehre infrage. Das Denkmodell des Fragmentarischen begleitet universalistische Diskurse, verhält sich reflexiv, kritisch und ergänzend dazu.

Der Begriff des Fragments formiert sich vor dem Hintergrund einer ökonomischen, sozialen und politischen Krise im Deutschland des ausgehenden 18. Jahrhunderts, genauer in Jena, dem Zentrum der frühromantischen philosophischen Debatte. Diese dreifache, letztlich als „Krise der Geschichte der Moderne“ (Phillipe Lacoue-Labarthe und Jean-Luc Nancy, 1978) postulierte und sich erweisende Krise bediente sich des Fragment-Begriffs als Instrument der kulturgeschichtlichen Reflexion und der Kritik, eine Funktion, die ihm bis heute eingeschrieben blieb. Aktuell, in einer Zeit, in der das Erleben von Krisenerfahrungen politisch, sozial und künstlerisch intensiv adressiert wird, drückt das Interesse am Fragment das Bedürfnis aus, ein resonantes Werkzeug der Reflexion zurückzugewinnen.

Für die kommende Ausgabe von archimaera lädt die Redaktion daher zur Auseinandersetzung mit dem Themenfeld des Fragmentarischen in der Architektur ein. Die Problematik einer direkten Analogie zwischen Bild und Bedeutung im Sinne einer gesellschaftlichen conditio, die sich als fragmentarisch versteht, könnte weiterhelfen, um dem Diskurs des Fragmentarischen die angemessene Aktualität zu verleihen. Ist das Fragment in der Architektur nur ein bildliches oder auch ein räumliches Phänomen? Welche theoretischen Narrative oder kulturell-gesellschaftlichen Phänomene schreiben sich in Raumordnungen fragmentarischen Ranges latent oder manifest fort? Wie verhält sich der Fragment-Begriff als Instrument der Kritik in der Architektur? Welche Funktionen übernehmen Fragment-Diskurse in der historischen Bauforschung, in der Denkmalpflege oder im Bereich der Archäologie? Wie verhalten sich diese Diskurse zur Gegenwart und Bedeutung des kulturellen Erbes? Die wiederholten Diagnosen, der Fragment-Diskurs habe sich erschöpft, stehen in Konkurrenz zu seiner Perpetuierung. Dieser Aktualitätsfrage widmen wir die zehnte Ausgabe der archimaera. Wir laden dazu ein, fachspezifische und fachübergreifende Zugangsweisen zum Denkmodel des Fragmentarischen in der Architektur darzustellen und zu diskutieren. Neben wissenschaftlichen Beiträgen sind künstlerische Interpretationen und Projekte zum Thema sehr willkommen.

Call for Papers als PDF (deutsch/englisch)

Bitte senden Sie Vorschläge für Beiträge in Form eines Exposés von max. 2.500 Zeichen bzw. einer Arbeitsprobe bis zum 30. April 2021 an archimaera#10:

fragment(at)archimaera.de

Die Auswahl der Beiträge erfolgt bis zum 31. Mai 2021. Die ausgewählten Beiträge sind in ausgearbeiteter Form bis zum 31. August 2021 einzureichen.

Bitte beachten Sie die formalen Richtlinien von archimaera bei der Gestaltung Ihres Textes. 

Fristen: 

30. April 2021 (ExposĂ©s), 
31. August  2021 (Beiträge)