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Theorie und Praxis

Am 15. Januar 1992 hielt der französische Architekt Jean Nouvel im Pariser Centre national d’art et de culture Georges Pompidou einen Vortrag, in dem er sich grundsätzlich zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Architektur äußerte. Dabei nahm er sowohl die aus seiner Sicht in der zurückliegenden Geschichte gemachten Fehler als auch die aktuell wie künftig der eigenen Zunft gestellten Aufgaben in den Blick.

Es ist hierbei wichtig, sich vor Augen zu halten, welche Projekte Nouvel zum damaligen Zeitpunkt aktuell bearbeitete – er hatte gerade erst damit begonnen, zum Stararchitekten aufzusteigen, und der ihm 2008 verliehene Pritzker-Preis war noch in weiter Ferne. Es zeigt sich nämlich, dass es sich dabei vor allem um Vorhaben handelte, in denen er es jeweils mit der Ergänzung oder Umgestaltung eines bereits bestehenden Baukomplexes beziehungsweise -kontexts zu tun hatte: Nouvel hatte 1986 den Auftrag erhalten, die 1831 von Antoine-Marie Chenavard und Jean-Marie Pollet errichtete Oper von Lyon umzubauen, deren Fertigstellung 1993, im Folgejahr des Vortrags, erfolgen sollte. [1] Im Jahr des Vortrags selbst bekam Nouvel den Zuschlag für die Modernisierung und Erweiterung des 1933 eingeweihten neoklassizistischen Kunst- und Kongresshauses in Luzern von Armin Meili, nachdem er den 1989 ausgelobten Wettbewerb gewonnen hatte. [2] 1991 hatten die Arbeiten an dem von ihm entworfenen Gebäude der Galeries Lafayette in der Berliner Friedrichstraße begonnen, für deren Bebauung zuvor ein internationaler Planungswettbewerb ausgeschrieben worden war; dieser hatte zum Teil sehr spezifische, an historische Gegebenheiten anknüpfende Bedingungen umfasst, wie etwa den Erhalt der Blockränder, der Trauf- und Firsthöhen sowie der Mischfunktion als Geschäfts-, Büro- und Wohnhaus. [3] Auch das gleichfalls 1991 begonnene und drei Jahre darauf abgeschlossene Projekt eines Neubaus für die Fondation Cartier in Paris musste auf ortsspezifische Bedingungen reagieren, welche durch die Lage des zur Verfügung stehenden Areals an einer stark befahrenen Straße bedingt waren – diese wiesen nicht nur sehr eingeschränkte, räumliche und visuelle Entfaltungsmöglichkeiten auf, sondern geboten zudem die Rücksicht auf eine 1823 von dem Politiker François-René de Chateaubriand als "Baum der Freiheit" auf dem Grundstück gepflanzte Libanon-Zeder. [4]

Auch bei letztendlich nicht realisierten Projekten wie Nouvels preisgekrönter, 1992 vorgelegter Konzeption einer Erweiterung des veralteten und beengten Universitätsareals von Paris-Jussieu – einem Komplex, der ab 1964 bis in die 1970er Jahre von den Architekten Edouard Albert, Urbain Cassan, René Coulon und Roger Séassal errichtet worden war – oder seiner im gleichen Jahr erfolgten Beteiligung am Wettbewerb zur Umgestaltung des Berliner Reichstages, ging es im Kern stets um die Auseinandersetzung mit bereits bestehender Bausubstanz, die sowohl das konkrete, eigene Projekt wie auch dessen Umfeld prägte. [5]

Der in dieser Phase bereits eröffnete Weg Nouvels zum Stararchitekten war maßgeblich durch Entwürfe geebnet worden, bei denen es ebenfalls um die Instandsetzung und Erweiterung bereits bestehender Gebäude gegangen war, wie etwa bei dem zwischen 1980 und 1984 von ihm umgebauten "Théâtre Granit" in Belfort, beziehungsweise um die Konzeption von Bauten, deren Bauplätze wie im Fall des 1987 eröffneten Pariser "Institut du Monde Arabe" stark durch ihr architektonisches und urbanes Umfeld geprägt waren. [6]

"Je préfère me retrouver entre quatre façades historiques au centre de la ville de Lyon"

Wenn man sich mit Nouvels Vortrag von 1992 auseinandersetzt, so ist der Kontext dieser Projekte insofern zu bedenken, als er zeigt, dass das dort behandelte zentrale Thema – die Frage nach adäquaten gestalterischen Eingriffen im Zuge des künftige Wachstums unserer Städte – keineswegs willkürlich gewählt war oder einem rein abstrakten Interesse entsprang: Obwohl Nouvel (anders, als es sonst für Architektinnen und Architekten bei Vorträgen üblich ist) auf keines seiner damals gerade aktuellen oder zurückliegenden eigenen Projekte explizit zu sprechen kam, sind seine Darlegungen nicht als rein theoretische Reflexionen zu verstehen. Vielmehr vermitteln sie aus gemachten Erfahrungen gewonnene Einsichten des Architekten.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass selbst markig daherkommende Aussprüche Nouvels nicht als bloße Rhetorik abgetan werden sollten. Dazu zählt sein im Kontext der Arbeiten an der Lyoneser Oper formuliertes Diktum: "J‘ai horreur de construire dans une ville nouvelle. J‘ai horreur de me trouver dans un champ de betteraves. Je préfère me retrouver entre quatre façades historiques au centre de la ville de Lyon." [7]

Dies mag sich auf den ersten Blick wie der horror vacui eines Architekten ausnehmen, der es mangels einer eigenen Vision vorzieht, sich im bereits gemachten Nest der Fakten von den herrschenden Verhältnissen treiben zu lassen – tatsächlich aber stehen hinter der so formulierten Haltung eine Diagnose einerseits und ein Therapievorschlag andererseits. Ursache wie auch Symptom werden dabei nicht als Zumutung, sondern ganz im Gegenteil als Chance erkannt. Denn Nouvels Aussage ist vor dem Hintergrund eines kritischen Blicks auf die aktuelle Stadtentwicklung zu verstehen: In seinem Vortrag wirft er der Gesellschaft, der Politik und der eigenen Zunft das Fehlverhalten vor, so zu tun, als habe sich seit den Anfängen der Stadt bis heute nichts verändert: "En fait, depuis le XV siècle et l‘invention de la ville comme concept architectural, l’histoire n‘a cessé de démontrer que cette même ville se prête de moins en moins à son dessin." [8] Wenn Nouvel hier das 15. Jahrhundert als historischen Ausgangspunkt dieser kritischen Zuspitzung nimmt, so wird zugleich deutlich, was er hier genau im Blick hat – denn gemeint ist damit natürlich nicht die Stadt als Phänomen an sich, das tatsächlich sehr viel älter ist, sondern vielmehr das frühneuzeitliche Konzept der Idealstadt. Dieser Parameter werde fälschlicherweise mit der Entwicklung und dem Wachstum reeller Städte verquickt. Die sich daraus ergebende Diskrepanz zwischen der postulierten Plan- und Kontrollierbarkeit und dem – angesichts des zunehmend rascheren und nicht steuerbaren Wachstums der Städte – tatsächlichen Kontrollverlust hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds ist Nouvel zufolge im 20. Jahrhundert besonders offenbar geworden. Verschiedene, einander widerstreitende und überkreuzende Faktoren in Wirtschaft, Politik und Ästhetik hätten dazu geführt, dass die Stadt ebenso wild wie uneinheitlich gewachsen sei, ja, dass sie gewuchert und über die Ufer und Dämme von Planungen und Konzepten getreten sei:

"Je suis convaincu qu‘une conséquence au moins de ce cataclysme urbain – une fois ses brumes dissipées – est fondamentale pour sur le plan théorique: c‘est que nous devons renoncer à projeter la ville en tant qu‘architecture et accepter le fait qu‘un certain nombre de paramètres fondamentaux pour sa fabrication nous sont devenus insaisissables. Le concept même de ville a explosé. La ville est devenue ville cosmos, nébuleuse à n foyers." [9]

Im Dickicht der gewucherten Städte

Erschwerend kommt zu dieser die Stadt dem planerischen Zugriff entziehenden Explosion, diesem "cataclysme" oder "big bang urbain", hinzu, [10] dass den Planern das Bewusstsein dafür fehlt, heute kaum noch eine tabula rasa vorzufinden. Freie Entwürfe und Planungen sind damit so gut wie unmöglich, da stets bereits Strukturen und Gebäude vorhanden sind, auf die man reagieren muss oder sollte: In einer Reihe von Gesprächen, die Nouvel im Jahr 2000 mit dem Philosophen Jean Baudrillard führte, entwirft er diesbezüglich das Bild einer künstlichen, vom Menschen geschaffenen "couche géologique", welche die ganze Erde überzieht und die Architektur darauf beschränkt, "de transformer, de modifier cette matière qui a été accumulée". [11] Anstatt diese Situation jedoch zu erkennen, einzusehen, zu akzeptieren und daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, tue man in der Architektur weiterhin so, als könne man innerhalb einer Stadt noch immer ohne Rücksicht auf das bereits Bestehende planen und sie mit neuen, nach eigenem Gutdünken entworfenen Bauten erweitern; an anderer Stelle spricht Nouvel von dem "acte architectural", der darin bestehe, "de s‘installer dans une architecture détournée" und damit zu einem "processus de sédimentation" werde. [12]. Die diagnostizierte Ignoranz führe letztendlich zu einer Kakophonie von Formen und Strukturen, [13] mithin zu einer Ansammlung von in ästhetischer Hinsicht autistischen Solitären, die ihren Teil zum Kontrollverlust beigetragen hätten: "les villes modernes se sont inventées sans nous et parfois, malgré nous". [14]

Obgleich Nouvel der Architektur in der Moderne also attestiert, sie sei an ihrem Hochmut gescheitert, [15] sieht er keinen Grund zu Resignation. Im Gegenteil: Er betont vielmehr die Gefahr, dass man sich angesichts der festgestellten Unkontrollierbarkeit der Städte aus der Verantwortung zu stehlen versuche, und er ruft dazu auf, eben diese zu übernehmen, indem man im Bezug auf die Gestaltung der Stadt umdenkt: "Il nous faut donc inventer les processus de son évolution". [16]

Architektur und Philosophie

Zu diesem Zweck rekurriert er auf Anregungen aus der Philosophie, namentlich auf Gilles Deleuze und Félix Guattari, insbesondere jedoch auf Michel Foucault, bei dem er sich "un certain nombre de règles de conduite, de méthodes d‘exploration" entliehen habe – so insbesondere ein Konzept, bei dem bestimmte Leitbegriffe die Analyse eines Diskurses bestimmen und strukturieren können. [17] Heißen diese Begriffe bei Foucault zum Beispiel "discontinuité, extériorité, spécificité, renversement", [18] so schafft Nouvel sich eine eigene, die Analyse anleitende Nomenklatur. Deren Ziel wird klar formuliert: Sie soll dabei behilflich sein, die sich im Nebel des "big bang urbain" vollziehenden Dynamiken des beständigen Wandels zu begutachten und einzuschätzen ("évaluer"), um dann auf der Grundlage der so gewonnenen Einsicht entscheiden zu können, ob man sie durch die eigene, einfügende Zutat begleiten und verstärken ("les accompagner") oder vielmehr ihnen entgegenwirken ("les contrarier") möchte. [19] Diese Begriffstrias dient dabei zunächst einmal dazu, Architektinnen und Architekten überhaupt dazu anzuleiten, sich mit den Gegebenheiten bewusst auseinanderzusetzen und die notwendige Voraussicht für das weitere, konkrete Handeln zu entwickeln. Mithilfe einer weiteren Begriffstrias differenziert Nouvel verschiedene, doch ineinandergreifende Strategien, anhand derer nun auch zugleich die Konsequenzen einer Planung bewusst gemacht werden können: die Wiederholung ("Itération"), also ganz im Sinne der Begleitung und Verstärkung ("accompagner"), den Wandel ("Altération") als gegen das Gegebene gerichtetes Verfahren im Sinne des "contrarier", sowie schließlich die Enthüllung ("Révélation"), die streng genommen auch als Synthese aus Wiederholung/Begleitung und Wandel/Entgegenwirken verstanden werden könnte. Denn bei der "Révélation" geht es nicht darum, dem Gegebenen fundamental entgegenzuwirken, sondern ihm vielmehr neue Züge abzugewinnen, etwa, indem man es ein Stück weit konterkariert oder wiederholt. [20] Als der Orientierung dienende Extrempole der dabei zu Verfügung stehenden Strategien benennt Nouvel schließlich einerseits die "Intégration", mit der er die bis zur Verschmelzung gehende Eingliederung des Neuen in das bereits Bestehende meint, und andererseits die "Différenciation", also die sich radikal vom Gegebenen abhebende Betonung des Neuen. [21]

Von der Theorie zur Praxis

Dass die oben beschriebene Nomenklatur keine abstrakte Theorie ist, kann am Beispiel von zwei Gebäuden gezeigt werden, die Nouvel in unterschiedlichen Phasen seiner Laufbahn entworfen hat: Erstens an der oben erwähnten, zwischen 1986 und 1993 umgebauten und erweiterten Oper von Lyon, und zweitens am Beispiel des Nouvel-Towers in Wien mit dem Hotel "Sofitel Vienna Stephansdom" (Wettbewerb 2005), der zwischen 2007 und 2010 errichtet wurde.

Die Praxis I: Die Oper von Lyon (1986–1993)

Beim Umbau der Oper von Lyon ging es zunächst einmal primär um deren Modernisierung sowie um die Gewinnung von mehr Raum angesichts der in dem Bau des 19. Jahrhunderts beengten Verhältnisse (Abb. 1). Bereits in der Wettbewerbsauslobung war daher ein Ausbau im Dachbereich ebenso wie eine Umgestaltung des Zuschauerraums bei dessen gleichzeitiger Erhaltung angedacht; der Saal war ursprünglich für 2.400 Besucher vorgesehen gewesen, wegen der ungünstigen Sitzverteilung hatten aber letztendlich nur 1.800 Personen untergebracht werden können. [22]

Abb. 1. Undatierte Postkarte (zwischen 1918 und 1945) mit der Ansicht des Gebäudes der Oper Lyon von Antoine-Marie Chenavard und Jean-Marie Pollet im Zustand vor 1989, Quelle: Bibliothèque municipale de Lyon.

Nouvel sah nun bei der Ausarbeitung seines Wettbewerbsbeitrags einen Konflikt zwischen den beiden Postulaten der Erhaltung des Zuschauerraums einerseits und der Gewinnung von neuem Raum andererseits, weshalb er eine radikale Lösung vorschlug. Sie lief darauf hinaus, eine im wahrsten Sinne des Wortes neue Oper in den Altbau einzufügen: Die vier Fassaden des historischen Gebäudes und dessen Foyer sollten beibehalten werden, ansonsten aber sollte der Bau komplett entkernt und im Inneren mit einer neuen Raumaufteilung versehen werden. Zugleich sollte das Gebäude sowohl nach unten als auch nach oben erweitert werden, indem unterirdisch neue Räume erschlossen und durch eine auf das historische Gebäude aufgesetzte Halbtrommel zusätzlicher Platz im Dachbereich gewonnen würden (Abb. 2).

Abb. 2, 3. Ansicht der von Jean Nouvel umgebauten Oper von Lyon, Foto: Ludovic Courtès (links), Nächtlicher Blick auf die von Jean Nouvel umgebaute Oper von Lyon durch die Arkaden des Hôtel de Ville von Lyon, Foto: Philippe Ruault (rechts).

Trotz der damit zum Teil verletzten Wettbewerbsvoraussetzungen war Nouvel mit diesem Vorschlag erfolgreich, nicht zuletzt, weil so gegenüber dem alten Bau das doppelte Raumvolumen erzielt werden konnte. Neben dieser Art von Effizienz kommt mit der Oper von Lyon jedoch auch eine nach außen ebenso wie nach innen wirksame signifikante Ästhetik zum Tragen. Denn durch die Beibehaltung der historischen Fassaden hält das Gebäude den Bezug zum historischen Ensemble der Umgebung aufrecht – insbesondere zum Hôtel de Ville von 1699 sowie zu dem etwas weiter entfernten, ebenfalls im 17. Jahrhundert erbauten Palais de St. Pierre. Ãœber die damit gewahrte "Intégration" durch "Itération" hinaus eröffnet die Dachtrommel der Oper zugleich einen Dialog zwischen Geschichte und Moderne. Dieser läuft einerseits auf eine "Différenciation" durch "Altération" hinaus, indem die steinernen opaken Gebäude der Frühen Neuzeit einem filigranen Geflecht aus Stahl und einem halb aus transparentem, halb aus spiegelndem Glas zusammengesetzten Dachkörper gegenüberstehen, welcher sich tagsüber aufgrund seiner Durchsichtigkeit und der Reflektionen der Wolken aufzulösen scheint (Abb. 3). Andererseits wirkt das halbrunde Volumen zugleich im Sinne einer "Révélation". Denn die Oper fügt sich mit ihrer Dachtrommel nicht nur harmonisch in das Gesamtbild des architektonischen Komplexes ein, sondern sie betont zudem nun bestimmte, zuvor so gar nicht akzentuierte architektonische Formen am gegenüberliegenden Hôtel de Ville, indem es mit seinem Halbrund darauf antwortet ("Itération") (Abb. 4) und das Ensemble somit ergänzt und bekrönt (Abb. 5). Darüberhinaus setzt die Halbtrommel ebenso tagsüber ein Signal im gesamten Stadtbild (Abb. 6), das von der vorherigen flachen Dachlösung nicht gegeben werden konnte, wie auch nachts, wenn die Stahl-Glas-Bekrönung der Oper rot illuminiert wird (Abb. 7). Die rote Farbe verweist dabei auf die im Eingangsbereich aufgehängten roten Leuchten und auf das Innere der Oper, wo der außen eröffnete Dialog zwischen Geschichte und Moderne fortgesetzt wird – so beispielsweise in Gestalt des historischen Foyers, dessen Originaldekor zwar beibehalten wurde, das sich nun aber in einem neuem Fußboden aus schwarzem Granit spiegelt (Abb. 8).

Abb. 4, 5. Blick durch den Hof des Hôtel de Ville auf die von Jean Nouvel umgebaute Oper von Lyon, Foto: Philippe Ruault (links), Blick auf das Stadtpanorama von Lyon mit der von Jean Nouvel umgebauten Oper von Lyon, Foto: Luc Jamet (rechts).

Abb. 6, 7. Abendlicher Blick auf die von Jean Nouvel umgebaute Oper von Lyon, Foto: Philippe Ruault (links), Blick in das Foyer der Oper von Lyon, Foto: Henry Keazor (rechts).

Die Praxis II: Der Nouvel-Tower in Wien mit dem Hotel Sofitel Vienna Stephansdom (2007–2010)

Im Falle des Nouvel-Towers, dessen Bau aus der erfolgreichen Teilnahme Nouvels an einem 2005 von den UNIQA Versicherungen AG und der Stadt Wien ausgelobten Wettbewerb hervorging, waren die Anforderungen noch komplexer als in Lyon. Die Aufgabe bestand hier zum einen darin, das Areal, welches durch den Abriss des als Konzernzentrale der UNIQA Versicherungen AG dienenden Scheibenhochhauses (Georg Lippert, 1959–1961) frei geworden war, neu zu besetzen (Abb. 9). [23] Zum anderen wurde in der Aufgabenstellung immer wieder betont, dass "die städtebauliche Einfügung mit zeichenhafter Identifikation im Vordergrund" stehe und daher die "Stadtbildverträglichkeit eines […] den Bestand überschreitenden Bauvolumens […] mit der städtebaulichen Einfügung und der Qualität des Entwurfs nachzuweisen" sei. [24] Untersucht man die über die eingereichten Projekte gefällten Urteile, so wird deutlich, dass tatsächlich eben diese Maßgabe wiederholt als zentraler Fixpunkt für Lob und Kritik diente. [25]

Hinzu kam, dass einige der im Anschluss an das Scheibenhochhaus entstandenen Bauten – darunter insbesondere der von Hans Hollein zwischen 1994 und 2000 errichtete Media-Tower – kontrastiv auf das nun abzureißende Gebäude hin angelegt worden waren. Es war daher Sorge dafür zu tragen, dass die neuen Entwürfe die zum Teil auftrumpfenden Gesten von Holleins Bau zukünftig nicht ins Leere laufen lassen würden: Wo Lippert mit seiner "Bundesländerversicherung" ein klassisches, blockhaftes Curtain-Wall-Scheibenhochaus errichtet hatte (Abb. 9), konterte Hollein mit einer Assemblage aus vier auf- und ineinander gestellten Quadern unterschiedlicher Größe, Materialität und scheinbar auch variabler Stabilität. Zwei seiner Körper stehen schräg, so zum einen der kleinere, sich in die Basis des vorderen Turm einstellende Glas-und-Stahl-Kubus, der somit die Standfestigkeit des Baus spielerisch zu untergraben scheint, und zum anderen der große, sich über die anderen Volumina erhebende Turm im Hintergrund, der nun selbst stark zur Seite geneigt erscheint (Abb. 10). [26] Indem Hollein jedem der Quader unterschiedliche Fensterformen und -rhythmen gab, schuf er auch hierin einen Kontrast zu der bis zur Monotonie regelmäßigen Fassadengestaltung bei Lipperts Gebäude.

Abb. 8, 9. Nächtliche Ansicht der Konzernzentrale der UNIQA Versicherungen AG (Bundesländerversicherungen) von Georg Lippert, Quelle: UNIQUA-Bildarchiv (links), Blick auf Hans Holleins „Media Tower“, Quelle: Die Presse (rechts).

Nouvel löste die mit dem Wettbewerb gestellte Aufgabe, indem er auch und gerade in Bezug auf Holleins Media-Tower eine Kombination aus "Itération" und "Différenciation" vorlegte, die eine "Révélation" zur Folge hat: So integrierte er seinen Neubau im Großen wie in den Details in die gegebene architektonische Umgebung ("Itération"), indem er in der Farbigkeit sowie in der Materialität, insbesondere jedoch in der Neigung seines eigenen Turms an den Media-Tower anschloss (Abb. 11). Ãœber den Rekurs auf diesen Bau, der sich bis hin zu einer Referenz an dessen klappenartige Fensteröffnungen erstreckt (Abb. 12a und b), setzte Nouvel sein Gebäude darüberhinaus insofern auch zu den Fassaden der gründerzeitlichen Häuser in Beziehung, als sich diese nicht nur in der Glasfassade des Nouvel-Turms spiegeln (Abb. 13), sondern letzterer zudem gekehlte Leisten aufweist, die in just jenem Gelb gestrichen sind, das typisch für die sich in ihm spiegelnde historische Architektur ist (Abb. 14). [27] Indem der Architekt zugleich die bis zur Gleichförmigkeit reichende Regelmäßigkeit von Lipperts Curtain-Wall-Fassade in seinem eigenen Gebäude aufruft, liefert er Holleins spielerischem Bau das notwendige Widerlager (Abb. 15). Nouvels Gebäude rivalisiert jedoch auch insofern mit dem Media-Tower, als darin die bei Hollein begonnenen Tendenzen aufgegriffen und gesteigert werden ("Différenciation"): Wo Hollein an einzelnen Partien seines Baus mit dem Kontrast von Opakheit und Transparenz sowie mit dem beschriebenen Motiv der scheinbar prekären Stabilität arbeitet, übertrumpft Nouvel dies in gewisser Weise noch, wenn er auf die in seinem Å’uvre häufig anzutreffende Vorliebe für Entmaterialisierung und Auflösung rekurriert. Denn auch sein Gebäude inszeniert auf spektakuläre Weise den Eindruck von Instabilität an der Stelle, an welcher der massive Hotelturm auf der linken Seite von einem hohen Glasgeschoss, dem so genannten "Belvedere", getragen wird, das dafür eigentlich zu filigran erscheint. Dies gibt dem Turm eine fast schwerelose Anmutung (Abb. 16). Zudem neigt sich der Nouvel-Turm nicht einfach dem Media-Tower Holleins entgegen – er tut dies vielmehr just auf jener Seite, auf welcher der gläserne "Belvedere" den Eindruck erweckt, zu leicht und zu luftig zu sein, um dieser Last standzuhalten. Noch mehr als im Fall des in seinen Umrissen recht geschlossenen und in sich ruhenden Bürohochhauses von Lippert ergänzt der Nouvel-Turm den Media-Tower zu einer Art von Tor, das in die Wiener Leopoldstadt hineinführt ("Révélation") (Abb. 17). Dieser Eindruck wird insbesondere abends und nachts noch zusätzlich durch die von der Schweizer Künstlerin Pipilotti Rist geschaffenen Deckeninstallationen im Inneren des "Belvedere" sowie des Dachrestaurants von Nouvels Hotelbau bestätigt und verstärkt. Deren dank der starken Verglasung nach außen vor allem großflächig bunt und abstrakt wirkenden Leuchtflächen antworten auf das "Leuchtfeuer", das an der Spitze von Holleins Media-Tower von einer riesigen LED-Reklametafel ausgesendet wird (Abb. 18). [28] Zugleich fügt sich Nouvels Turm so einerseits in die Beleuchtung des nächtlichen Stadtbilds ein, während er darin andererseits – ähnlich wie im Fall des nachts rot erglühenden Operndachs in Lyon – einen markanten Akzent setzt.

Abb. 10, 11. Blick auf die Wiener Taborstraße mit Hans Holleins „Media Tower“ auf der linken und Jean Nouvels „Tower“ auf der rechten Bildseite, Foto: Henry Keazor (links), Blick auf die Seitenfassaden von „Media Tower“ und „Nouvel-Tower“ mit den jeweiligen Klappenöffnungen, Fotos: Henry Keazor (rechts).

Abb. 12, 13. Blick auf „Media Tower“ und Konzernzentrale der UNIQA Versicherungen AG vor 2007, Quelle: Hans Hollein (oben), Blick auf das durch „Media Tower“ und „Nouvel-Tower“ gebildete Tor zur Wiener Leopoldstadt, Foto: Henry Keazor (unten).

Schluss: "L’architecture est datée"

In seinem 2005 vorgelegten "Louisiana Manifesto", das im Zentrum einer im gleichen Jahr ausgerichteten Ausstellung des Louisiana Museum of Modern Art im dänischen Humlebæk stand, schreibt Nouvel: "L’architecture est datée. Nous la savons mortelle, précaire, nous la soupçonnons vivante". [29] Er verweigert der Architektur demnach den ihr sonst häufig zuerkannten Status als unveränderliches, unantastbares Artefakt und stellt sie stattdessen auf dieselbe Stufe wie sterbliche Lebewesen. [30] Damit umreißt Nouvel aber zugleich eine weitere Möglichkeit des Umgangs mit den schwer kontrollierbaren Gegebenheiten des Stadtwachstums und eröffnet eine Aussicht auf diesbezüglich zu entwickelnde Strategien. Denn er betont auf diese Weise, dass jedes Gebäude nur als vorübergehender, ephemerer Beitrag, als einzelnes, eingefügtes Glied einer langen Kette verstanden werden kann und sollte, das entsprechend bescheiden und offen sein sollte für eine möglicherweise dieses Gebäude gar nicht mehr vorsehende Zukunft.

Abb. 14. Nächtlicher Blick auf das durch „Media Tower“ und „Nouvel-Tower“ gebildete Tor zur Wiener Leopoldstadt, Foto: Witek Hewanicki.



[1] Philip Jodidio (Hg.): Jean Nouvel by Jean Nouvel. Köln 2008, 2 Bde, hier Bd. 1, S. 402–404.

[2] Ebd., Bd. 2, S. 404.

[3] Ebd., Bd. 1, S. 425–426.

[4] Ebd., S. 433.

[5] Zum Projekt in Paris-Jussieu siehe ebd., S. 431–432. Das Berliner Projekt ist dort nicht aufgeführt, erscheint jedoch z.B. auf Jean Nouvels Website http://www.jeannouvel.com unter: "Projets"/"Chronologique"/"1992" (15.07.2014); eine Abbildung findet sich u.a. in El Croquis, No. 65/66: Jean Nouvel. 1987–1998. Madrid 1998, S. 38.

[6] Zu den beiden Projekten siehe Jodidio 2008 (vgl. Anm. 1), Bd. 1, S. 393–395 und ebd., S. 396–397.

[7] "Ich fände es schrecklich, in einer neuen Stadt zu bauen. Ich fände es schrecklich, auf einem leeren Rübenfeld zu bauen. Ich ziehe es vor, mich in den vier historischen Fassaden des Zentrums von Lyon wiederzufinden." Das Zitat stammt aus einem von France 3 produzierten Film über die Oper von Lyon: Michel Van Zele: Un Nouvel Opéra. France 3/Méditerranée Films Productions 1993; die Sätze werden dort über ein Bild der Fassade der Oper geblendet gezeigt.

[8] "Tatsächlich hat die Geschichte seit der Erfindung der Stadt als einem architektonischen Konzept im 15. Jahrhundert kontinuierlich gezeigt, dass sich die Stadt weniger und weniger für den Zweck ihres eigentlichen Plans eignet […]." Jean Nouvel: Vortrag gehalten am 15. Januar 1992. Der Vortrag ist unpaginiert in einer französischen und einer englischen Fassung abgedruckt auf einem Faltblatt, das einer Edition von Postkarten beigelegt ist, die anlässlich einer Jean Nouvel gewidmeten Ausstellung des Centre d’architecture arc en rêve in Bordeaux vorgelegt wurde (14.10.1993–24.01.1994).

[9] Nouvel 1993 (vgl. Anm. 8): "Ich bin davon überzeugt, dass wenigstens eine Konsequenz dieser urbanen Sintflut – wenn sich deren Nebel erst einmal gelichtet haben – auf dem Gebiet der theoretischen Planung stattfinden wird: Nämlich, dass wir darauf verzichten müssen, die Stadt als Architektur zu planen und dass wir die Tatsache akzeptieren müssen, dass sich eine Anzahl grundlegender Parameter für deren Erbauung unserem Zugriff entzieht. Das Konzept der Stadt selbst ist explodiert. Die Stadt ist ein ganzer städtischer Kosmos geworden, ein Nebel mit unzähligen verschiedenen Polen und Zentren."

[10] Jean Baudrillard/Jean Nouvel: Les objets singuliers. Architecture et philosophie. Paris 2000, S. 34.

[11] Ebd., S. 35. In der Übersetzung von Peter Engelmann übersetzt als "geologische Schicht": "Die Architektur kann kein anderes Ziel mehr haben, als diese angesammelte Materie zu transformieren, zu modifizieren." Jean Baudrillard/Jean Nouvel: Einzigartige Objekte. Architektur und Philosophie. Wien 2004, S. 35.

[12] Baudrillard/Nouvel 2000 (vgl. Anm. 10), S. 69, übersetzt nach Baudrillard/Nouvel 2004 (vgl. Anm. 11), S. 69: "[…] daß der architektonische Akt der ist, sich in einer entfremdeten Architektur niederzulassen. […] dieser Prozeß der Sedimentation […]." Die Ãœbersetzung scheint hier freilich nicht ganz präzise – ich würde "architecture détournée" nicht als "entfremdete", sondern noch deutlicher mit "zweckentfremdeter Architektur" übersetzen.

[13] Vgl. zu dem Phänomen z.B. auch Colin Rowe/Fred Koetter: Collage city. Basel 1997.

[14] Nouvel 1993 (vgl. Anm. 8): "Die modernen Städte haben sich ohne uns und zuweilen sogar uns zum Trotz erfunden." Nouvel widerspricht damit implizit der Position eines Theoretikers wie Kevin Lynch, der noch postuliert hatte, dass es "a special kind of design" sei, der Stadt eine visuelle Form zu geben. Vgl. Kevin Lynch: The Image of the City. Cambridge, Mass., London 1960, S. V.

[15] Nouvel nimmt damit unausgesprochen eine deutliche Gegenposition zu Friedrich Nietzsche ein – vgl. in dessen "Götzendämmerung" (im Aphorismus Nr. 11): "[...] Der Architekt stellt weder einen apollinischen, noch einen dionysischen Zustand dar: hier ist es der grosse Willensakt, der Wille, der Berge versetzt, der Rausch des grossen Willens, der zur Kunst verlangt. Die mächtigsten Menschen haben immer die Architekten inspiriert; der Architekt war stets unter der Suggestion der Macht. Im Bauwerk soll sich der Stolz, der Sieg über die Schwere, der Wille zur Macht versichtbaren […]. Die Macht, die keinen Beweis mehr nöthig hat; die es verschmäht, zu gefallen; die schwer antwortet; die keinen Zeugen um sich fühlt; die ohne Bewusstsein davon lebt, dass es Widerspruch gegen sie giebt; die in sich ruht, fatalistisch, ein Gesetz unter Gesetzen: Das redet als grosser Stil von sich." Friedrich Nietzsche: Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe. 15 Bde, hg. von Giorgio Colli/Mazzino Montinari. München, Berlin, New York 1988, Bd. VI, S. 20. Vgl. demgegenüber Nouvels Aussagen in Nouvel 1993 (vgl. Anm. 8): "Elle [l‘architecture – H.K.] y a échoué par excès d‘ambition, sans bien comprendre que ce n’est pas le monde qui appartient à l‘architecte, mais qu’au contraire l‘architecte est au monde": "Sie [die Architektur – H.K.] ist an übersteigertem Ehrgeiz gescheitert, ohne zu begreifen, dass die Welt nicht dem Architekten gehört, er aber im Gegenteil der Welt gehört/auf der Welt ist" sowie: "La fascination qu‘ éprouvaient les architectes de la modernité héroïque pour la prouesse technique exacerbée jusqu‘ au symbole, a vécu.": "Die Faszination, welche die Architekten der heroischen Moderne für die übertriebenen technischen, bis hin zum Symbol hochstilisierten Heldentaten empfanden, ist dahin."

[16] "Wir müssen deswegen die Prozesse seiner Entwicklung neu erfinden." Nouvel 1993 (vgl. Anm. 8).

[17] "eine Reihe von Verhaltens- bzw. Verfahrensregeln und Methoden der Erkundung". Ebd.

[18] "Diskontinuität,  Exteriorität, Spezifität, Umsturz". Ebd.

[19] "einschätzen, […] begleiten oder […] entgegenarbeiten". Ebd.

[20] Ebd. Obwohl Nouvel Jacques Derrida nicht erwähnt, erweist sich seine Begrifflichkeit tatsächlich eher ihm als Foucault verpflichtet; vgl. Jacques Derrida: "Signature évènement contexte." In: Marges de la philosophie. Paris 1972, S. 376; dort schreibt er vom Prozess der "Itérabilité" als einer der Sprache innewohnenden Tendenz, sich zu wiederholen, wobei eine solche Wiederholung zugleich meistens auch eine "Altération" bedeutet, eine Veränderung, da das Wort dann überwiegend in einem neuen Kontext und von einem anderen Sprecher wiederholt wird.

[21] Nouvel 1993 (vgl. Anm. 8).

[22] Vgl. dazu Myriam De Santis 2008 unter http://www.lelyondesgones.com/photos_lyon_par_arrondissement/lyon_1/opera/index.html (15.07.2014).

[23] Vgl. das entsprechende Urteil über Lipperts Gebäude in der Aufgabenstellung, S. 4 des ausgelobten Wettbewerbs unter der Rubrik "Bestandsobjekt": "Das Objekt entspricht sicherheitstechnisch, bauphysikalisch und funktional nicht den heutigen Anforderungen. […] Eine wirtschaftliche Sanierung ist nicht möglich." Die gesamte Dokumentation des Wettbewerbs ist zu finden unter http://www.architekturwettbewerb.at/competition.php?id=325 (15.07.2014).

[24] Dies wird im Briefing 2. Wettbewerbsstufe (Niederschrift über die Sitzung des Preisgerichts vom 4. April 2005), S. 3 sogar noch einmal eigens als zentrale Aufgabe hervorgehoben: "Nach eingehender Diskussion über eine BGF-Zielvorgabe [BGF = Bruttogrundfläche – H.K.] kommt man überein, die Formulierung aus der Aufgabenstellung zur Stufe 1 zu bekräftigen: Die Stadtbildverträglichkeit des Bauvolumens ist mit der städtebaulichen Einfügung und der Qualität des Entwurfs nachzuweisen."

[25] Vgl. z.B. die Urteile über die Projekte von Delugan-Meissl und Ingenhoven Overdiek in Wettbewerb Praterstraße 1. 1. Wettbewerbsstufe (Niederschrift über die Sitzung des Preisgerichts vom 14. und 15. Februar 2005), S. 9, denen zwar "ein hoher Originalitätswert" bzw. ein Rang als "Interessanter Baukörper“ attestiert wird, doch zugleich ist die Kritik formuliert, der Entwurf sei "ohne Bezug zum Ort" (Ingenhoven Overdiek) bzw.: "Die städtebauliche Einfügung ist jedoch nicht nachvollziehbar" (Delugan-Meissl).

[26] Holleins Turm wird daher in der Aufgabenstellung wiederholt als Orientierungspunkt, auch und gerade in Bezug auf die Höhe, betont; vgl.: Aufgabenstellung, S. 12: "Die Gebäudehöhe kann sich am benachbarten Media-Tower orientieren, sollte aber dessen Höhe (79,10 m über Wiener Null) nicht wesentlich überschreiten." Ebenso S. 13: "Gebäudehöhe hat sich am benachbarten Media-Tower zu orientieren". Hollein hatte mit einem eigenen Entwurf am Wettbewerb von 2005 teilgenommen, schied jedoch nach der ersten Runde aus; vgl. das Urteil der Jury zu seinem Beitrag in Wettbewerb Praterstraße 1, S. 11: "Prägnantes Zeichen. […] Gewaltige Geste gegen den 'eigenen' Media-Tower (Hammer). Ãœberdimensionierung des Themas Tor – gibt etwas vor, was die Taborstraße sind [sic! gemeint ist wohl eher: 'nicht' – H.K.] einlösen kann. Projekt präsentiert sich an diesem Ort zu stark."

[27] Vgl. dazu auch Henry Keazor: "'(…) un plan plane pour révéler l’apparition-disparition'. Visuelle Interfaces in der Architektur Jean Nouvels." In: Ursula Frohne/Lilian Haberer/Annette Urban (Hg.): Display|Dispositiv: Ästhetische Ordnungen. München 2014 (im Druck).

[28] Zur Ikonografie der Installationen vgl. ebd.

[29] Jean Nouvel: Louisiana Manifesto. Esbjerg 2008, o. S. Die dort gegebene deutsche Übersetzung lautet: "Architektur ist datiert. Wir wissen, daß sie sterblich ist, fragil, wir haben sie in Verdacht, lebendig zu sein".

[30] Die Idee einer parallel zur menschlichen Existenz "lebendigen Architektur" kann bis zur Renaissance zurückverfolgt werden; vgl. dazu Matteo Burioni: "'Corpus quod est ipsa ruina docet.' Sebastiano Serlios vitruvianisches Architekturtraktat in seinen Strukturäquivalenzen zum Anatomietraktat des Andreas Vesalius." In: Zeitsprünge 9 (2005), H. 1/2, S. 50–77.

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