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Die Vergänglichkeit von Bauten ist kein Thema, dem sich Architekten mit besonderer Vorliebe zuwenden. Es sind Denkmalpfleger oder Bauschadensforscher oder es sind Experten für Facility-Management und Baufinanzierung, die sich mit der materiellen Nutzungsdauer von Bauwerken und Bauteilen befassen. [1] Wer sich heute in dieser Hinsicht informieren will, kann sich ausgearbeiteter Bilanzierungssysteme und Tabellenwerke bedienen, welche Abschreibungszeiträume [2] oder die Lebenserwartung von Materialien und Konstruktionen im Detail bewerten. [3] Selbst Konstruktionen aus Beton können nach einer solchen aktuellen Zusammenstellung allenfalls mit einer Lebensdauer von 120 Jahren rechnen. [4] Konsultiert man diese Literatur, ist nicht der Bau, sondern der Betrieb eines Bauwerks auf lange Sicht der entscheidende Kostenfaktor. Eine neuere Studie beziffert, dass – gemessen auf die gesamte Lebensdauer – der Unterhalt eines Gebäudes sehr viel höher ist als die Kosten für seine Errichtung. "Rund 20-30 % der Lebenszykluskosten von Wohn- und Bürobauten entfallen auf die Anschaffung, die restlichen 70-80% sind nutzungsbedingte Folgekosten." [5] Ist die Frage nach der Dauerhaftigkeit von Bauten damit beantwortet?

Verlassene Moderne: Lüttich Val Benoît (ehemalige Universität). August 2011. Fotos KK.
Oben: Institut de Mathématiques (1964). Architekt: M. Burton.
Unten links: Institut de Chimie et de Métallurgie (1927). Architekt: Albert Puters (1892-1967).
Unten rechts: Centrale Thermoélectrique (1932) Architekt: Abert-Charles Duesberg (1877-1951).

Die Dauerhaftigkeit von Architekturen ist nicht allein eine Funktion von Finanzierung, Material und Bautechnik, sie hängt davon ab, welche Ansprüche eine Gesellschaft mit der Nutzung von Bauten verbindet. Sie ist ein kulturelles Produkt, eine fortwährende Abstimmung darüber, welche Anforderungen und welche Anpassungen für ein Gebäude als erforderlich und als hinnehmbar betrachtet werden. Die Lebensdauer von Bauten ist in dieser Beziehung Ausdruck der Entwicklungsdynamik einer Gesellschaft. In Phasen rapider ökonomischer, technischer oder demographischer Veränderung werden bestehende Strukturen – von der Maßstabsebene eines Gebäudes bis hin zur Stadt- und Siedlungsstruktur – neu bewertet. Da in jedes Gebäude, die Erwartungen seiner Entstehungszeit in der Disposition von Konstruktion und Funktionen eingeschrieben sind, ist jedes Bauwerk andererseits ein historisches Zeugnis – es stellt eine "Zeitmaschine" in die Welt seiner Erbauungszeit dar. [6] Entscheidungen über Erhalt und Ersatz von Gebäuden sind damit Abstimmungen über die Geschichte, über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit, die Strukturen und damit die Lebens- und Arbeitsentwürfe früherer Zeitabschnitte zu nutzen, zu ändern oder zu verlassen.

Dass die Bewertung von Architekturen auf diese Art auch zu einer Abstimmung über eine geschätzte oder eine ungeliebte Vergangenheit wird, ist eine wiederholte Erfahrung. Der architektonische Mainstream der Nachkriegs- und Wiederaufbauzeit in Deutschland war sich einig in der Verdammung des Historismus. Als Rudolf Schwarz 1953 in der Zeitschrift Baukunst und Werkform anregte, "sich einmal gründlich um dieses neunzehnte Jahrhundert zu kümmern, weil wir ja doch einmal mit der großen Berichtigung unseres Geschichtsbildes anfangen müssen", [7] prallte ihm einhellige Ablehnung entgegen. Dies war nicht zuletzt auf Schwarz selbst zurückzuführen, der seinen Aufruf zur Positionsbestimmung der Gegenwart mit einer unnötigen und überheblichen Polemik gegen Walter Gropius [8] und die "unerträgliche Phraseologie" des Bauhauses [9] verband. Der berühmte Werkschullehrer und katholische Kirchenbaumeister polarisierte in Abgrenzung sowohl zum Bauhaus wie zu den Architekten des NS-Staates: "Die Tradition haben wir" [10] und löste damit eine publizistische Debatte aus, die sich im Ergebnis entschieden für das Bauhaus einsetzte. Nach den beispiellosen Verwüstungen im Weltkrieg war die Mehrheit der deutschen Architekten wenig geneigt, die teilzerstörten oder unzerstörten Bauten der wilhelminischen Epoche als ausbau- und aufbaufähige Grundlage für eine modernen Gesellschaft nach den damaligen Vorstellungen anzuerkennen ... auch wenn diese Bauten damals den Großteil des Baubestandes in Deutschland ausmachten. [11] Die im Wiederaufbau de facto vollzogene Abstimmung über Erhalt oder Ersatz von Bauten und Ensembles war insofern eine mit moralischen Begriffen aufgeladene Abstimmung über die Geschichte.

Zwei Generationen später haben sich Maßstäbe und Argumente grundlegend verschoben:

"Die Architektur der Fünfziger mit ihrer programmatischen Geschichtslosigkeit, ihrem unsensiblen Zustopfen der Baulücken, ihrer Bevorzugung künstlicher Stoffe wie Beton, Eternit, Aluminium-Eloxat, Bakelit, Neonlicht und Plastik und auch ihrem geschichtslosen Modernismus mit seinem Schwung und Schmiss, seiner leichtfüßigen Pseudoeleganz [...] – das alles konnte ich nur hassen, und zwar vor allem deswegen, weil es sich in meinen Augen geradezu schmerzlich störend über und in das Alte und 'Echte' gedrängt' hat", [12]

resümiert aus Perspektive des Jahres 2009 der Ägyptologe Jan Assmann in Erinnerung an sein Erleben der Nachkriegszeit. Assmann, der als Kind im noch unzerstörten Lübeck aufwuchs, empfand den bewussten Traditionsbruch des Wiederaufbaus als generelle Verneinung von Geschichte. "Das große Aufatmen kam für mich dann in den achtziger, neunziger Jahren mit der postmodernen Aufgeschlossenheit gegenüber der Vergangenheit, mit der Absage an einen normativen Modernismus und dem unbefangenen Versuch, an vergangene Baustile anzuknüpfen." [13] Auch Assmanns Rückblick ist keine Architekturkritik, sondern eine Reflektion über den Stellenwert und die Präsenz der Vergangenheit. Sein Nachdenken über die baulichen Leistungen der Nachkriegszeit wird zur Gesamtabrechnung über ein Jahrzehnt: "Ich erinnere mich an die fünfziger Jahre als eine Mischung alberner Schlager, restaurativer Politik, konventioneller Formen, geschmackloser Möbel, alles beherrschender Kunststoffe, gesichts- und geschichtsloser Architektur und forcierter Harmlosigkeit." [14]

 

"on jette, on remplace"

Die von Schwarz 1953 ausgelöste Debatte und der persönliche Rückblick Assmanns aus dem Jahr 2009 sind Texte aus unterschiedlichen Zeiten und Kontexten. In der Bewertung von Architekturen bedienen sie sich indessen ähnlicher Bezugspunkte: Tradition oder Traditionsbruch, Permanenz oder Neubeginn. Die Dialektik dieser Begriffe hat eine wirkungsmächtige Wurzel in den Avantgarden der architektonischen Moderne. Progressive Architekten unterschiedlicher Bewegungen erhoben Anfang des 20. Jahrhunderts Traditionsbruch zum Programm. [15] Die Futuristen Sant'Elia und Marinetti forderten 1914, Wissenschaft und Technik für eine neue Architektur zu nutzen, die den veränderten Bedingungen des modernen Lebens gerecht werden müsse:

"Im modernen Leben kommt der Prozess der konsequenten stilistischen Entwicklung zum Stillstand. Die Architektur löst sich von der Tradition und beginnt notgedrungen von vorn. Die Berechnung der Materialfestigkeit, die Verwendung von Eisenbeton und Eisen machen eine 'Architektur' im klassischen Sinn unmöglich. Die neuen Baumaterialien und unsere wissenschaftlichen Begriffe sind mit der Disziplin der historischen Stile nicht in Einklang zu bringen." [16]

Die italienischen Futuristen proklamierten den Siegeszug "aller jener Ersatzstoffe für Holz, Stein und Ziegel, die höchste Elastizität und Leichtigkeit ermöglichen" [17] und folgerten weiter, dass "[...] es zu den fundamentalen Merkmalen der futuristischen Architektur gehört, daß sie 'verbraucht' wird und vergänglich ist. Das Leben des Hauses wird nicht so lange währen wie das unsere, jede Generation wird sich ihre Stadt bauen müssen." [18]

Nur selten bezogen Programmatiker zeitgenössischen Bauens das Pathos des Neubeginns so explizit auch auf die Zukunft der eigenen Werke wie die Futuristen. Der antizipierte Sieg des Neuen über das Alte, Gegenstand einer stattlichen Anzahl von Architekturtraktaten, die sich in den 1920er und 30er Jahren der "neuen Architektur" oder dem "neuen Bauen" widmeten, [19] beinhaltete dagegen in der Regel kein Nachdenken über das Altern oder die zukünftige Obsoleszenz der eigenen Schöpfungen. Der Zusammenhang zwischen der Lebenserwartung und der Produktionsweise von Architektur durchzieht dennoch in verdeckter Weise wichtige Schriften der Avantgarde. So etwa Le Corbusiers Programmschrift Vers une architecture, die knapp zehn Jahre nach dem Manifest der Futuristen das Auto zum ästhetischen und produktionstechnischen Vorbild erhob: "ein Haus wie ein Auto, entwickelt und eingerichtet wie ein Omnibus oder die Kabine auf einem Schiff. Die aktuellen Anforderungen des Wohnens können genau benannt werden und verlangen nach einer Lösung. Es ist erforderlich, gegen das alte Haus die zu Initiative zu ergreifen [...] Heute müssen wir (aus einem ganz aktuellen Grund: den Kosten) das Haus als Wohnmaschine oder als Werkzeug betrachten." [20]

Die Villa als Serienprodukt: "Maison en série 'Citrohan' (pour ne pas dire Citroën)." Le Corbusier spielt mit dem Gleichklang von "citoyen" und dem Namen der Automarke.
Le Corbusier-Saugnier Vers une architecture 1923 (vgl. Anm. [20]). S. 200.

Einen Bezug zwischen der Dauerhaftigkeit eines Autos und des "wie ein Auto" produzierten "Wohnwerkzeugs" stellte Le Corbusier nicht her, eine solche Verbindung besteht jedoch indirekt. Denn während der Erfinder der Wohnmaschine einerseits den Werkzeugcharakter des zukünftigen, massenfabrizierten Hauses herausstellte, konstatierte er an anderer Stelle: Man wirft ein altes Werkzeug auf den Schrott [...] Diese Handlung ist eine Manifestation von Gesundheit, einer moralischen Gesundheit und der Moral überhaupt; man hat gar nicht das Recht dazu, deshalb schlecht zu arbeiten, weil man ein schlechtes Werkzeug benutzt; man hat nicht das Recht, seine Kraft und seine Gesundheit wegen eines schlechten Werkzeugs zu vergeuden; man wirft es fort, man ersetzt es." (frz.: "on jette, on remplace"). [21]

Auch die in Serie produzierte Wohnmaschine, so mochte ein nachdenklicher Leser aus dieser Passage erahnen, endet dereinst unweigerlich im Müll. [22] Die innere Logik des "on jette, en remplace" aus dem Geist industrieller Massenproduktion hat Wolfgang Döring, der sich in den sechziger Jahren mit den Möglichkeiten serienproduzierter Häuser befasste, später offener und radikaler formuliert:

"Bei Automobilen rechnet man mit einer Amortisationszeit von vier Jahren – und bei Häusern von fünfzig Jahren. Und Häuser sind damit selbstverständlich die technologisch rückständigsten Industrieprodukte. Es ist also in der Konsequenz dringend notwendig, das Produkt 'Haus' in seiner Lebenszeit drastisch zu verkürzen, um seinen Amortisationszeitraum herabzusetzen, um es damit für Forschung und Entwicklung attraktiv machen zu können und auf diese Weise dann zu entscheidenden Verbilligungen zu gelangen." [23]

Zugespitzt formuliert: Erst ihre drastisch verringerte Lebensdauer ermöglicht die Zukunft von Häusern als Konsum- und Wegwerfprodukt. Döring, der sein Buch in enger Anlehnung an Le Corbusiers Vers une architecture den Titel Perspektiven einer Architektur gegeben hatte, schloss seine Ausführungen mit einer zugleich schwerwiegenden wie ambitionierten Prognose: "Um überleben zu können, müssen wir unbedingt all das vergessen, was wir bisher unter Architektur verstanden haben. Nur dann kann es vielleicht noch gelingen, über eine Synthese der Technologie unserer Zivilisation mit der Kategorie der Ästhetik zu neuen Vorstellungen von Raum zu bisher unbekannten Grenzen zu gelangen." [24] Dieses Vergessen bezog selbst die Klassiker der Moderne mit ein. Le Corbusier, so Döring, habe in einem seiner berühmtesten Bauten, der Villa Savoy, zwar den "Höhepunkt einer neuen Ästhetik" vorgeführt, "Der Putz verbirgt jedoch, dass die Herstellungsmethoden den technischen Möglichkeiten seiner Zeit um mindestens fünfzig Jahre nachhinken." Zur Illustration verwies Döring auf ein Bild der weltbekannten Villa, die zu dieser Zeit einer Ruine glich. Verwahrlosung und Verfall offenbarten hinter den fehlenden Putzschichten konventionelles Mauerwerk. "Dieses Haus ist technologisch näher am Jahr 0 als am Jahre 2000." [25]

Le Corbusiers Villa Savoye als vorindustrielle Ruine. Gegenüberstellung aus Dörings Perspektiven einer Architektur 1970. (Quelle: Döring Perspektiven (vgl. Anm. [23]). S. 36/37).
Weitere Bilder des ruinösen Zustandes der Villa um 1960 (© Vìctor Gubbins): Bild 1, Bild 2, Bild 3, Bild 4, Bild 5, Bild 6

"Näher am Jahre 2000" hieß aus der Perspektive Dörings und weiterer progressiver Architekten, die um 1970 – eine Generation nach Kriegsende – die architektonischen Leitbilddiskurse prägten, keineswegs 'haltbarer' oder 'dauerhafter'. Peter Cook, Mitglied der britischen Architektengruppe 'Archigram' formulierte zwei Jahre später die Zukunftsvision einer "Wegwerf-Architektur" und erläuterte: "Die Umwelt der Zukunft der Zukunft wird mit großer Wahrscheinlichkeit auf Verbrauch abgestellt sein (wie es sich heute schon im täglichen Leben zeigt)." [26] Richard J. Dietrich, Entwickler des Konstruktionssystems 'Metastadt', entfaltete in in der Zeitschrift bauwelt eine fünfzehnseitige systemtheoretische Analyse der "Entwicklung der Zivilisation" und forderte die völlige Neudefinition "des Mensch-Umwelt-Systems [...], das wir heute Stadt nennen." [27] Sein Konzept der Metastadt, die sich als flexibles Gerüst aus freitragenden und industriell in Serie gefertigten Elementen über der bisherigen Stadt entfalten sollte, begründete Dietrich ebenso wie Döring aus einer fundamentalen Krise der Gegenwart. "Um das soziotechnische Gesamtsystem aus der sich verschärfenden Krise heraus zu einem neuen Integralzustand emporzuentwickeln, werden Neuerungen und Veränderungen größten Ausmaßes notwendig." [28] Die Entwicklung zu einem neuen Integralzustand erfordere, so Dietrich, den Verzicht auf dauerhafte Strukturen als solche: "Die wenig leistungsfähige, auf Ewigkeitswerte ausgerichtete Stadtbautechnik der Immobilien, die im langsameren Rhythmus der Vergangenheit möglich war, schafft heute gefährliche Entwicklungshindernisse. [...] Zu fordern ist eine neue konstruktive Stadtsystemtechnik der Mobilien, die mit der Entwicklung von Gesellschaft und Hochleistungstechnik in angepasster Frequenz reagieren; Mobilien, die nicht ständig veralten, sondern regenerationsfähig sind, die immer dem Stand der Technik angepasst werden können." [29] Für den Bestand implizierte dies, wie Cedric Price, in den sechziger Jahre ein wichtiger Stichwortgeber für die Architektengruppe 'Archigram', noch Anfang der 1980er Jahre interpolierte, "that a high rate of destruction of the existing fabric is a positive contributor to the quality of beneficial social change." [30] Eines der wenigen Gebäude, das in den 70er Jahren in Umsetzung dieser Philosophie von Metastrukturen tatsächlich verwirklicht wurde – das Centre Pompidou in Paris – wurde von der zeitgenössischen Kritik genau in dieser Weise verstanden. Der Kulturphilosoph Jean Baudrillard notierte nach Eröffnung des Ausstellungsbaus

" [...] dieses Gebäude, mit seinem System von Rohren, mit seiner Anmutung einer Messehalle oder eines Kaufhauses, mit seiner fragilen Eleganz, (vorausberechnet) jede traditionelle Mentalität oder Monumentalität aufzulösen, proklamiert offen, dass unsere Zeit nie wieder eine Zeit der Dauerhaftigkeit sein wird, dass unsere einzige Zeitwahrnehmung die des beschleunigten Kreislaufs und Recyclings ist, ein Kreislauf und Transit von Fluiden. Unsere einzige Kultur ist im Grunde jene von Kohlenwasserstoffen, Raffinierung, Cracking und Aufbrechen kultureller Moleküle und ihre Rekombination in Syntheseprodukten." [31]

Centre Pompidou, Paris. 1971-1977. Entwurf: Renzo Piano, Richard Rogers Gianfranco Franchini.
Links: Aufnahme August 2008 (Foto: teachandlearn . Quelle: hier ).
Rechts: Aufnahme November 2011 (Foto: Traktorminze . Quelle: hier ).

Neu sein

Wenn Le Corbusier zu Beginn der 1920er Jahre anders als die Futuristen oder seine radikaleren Nachfolger die Architektursprache der Moderne nicht zuerst als Konsum- und Wegwerfprodukt verstand, so deshalb, weil er in ihr eine besondere Form ästhetischer Vollkommenheit verwirklicht sah. Während der berühmte Erfinder der Wohnmaschine den Verweis auf zeitgenössische Technologie und Ingenieurkunst einerseits zwar als Hebel benutzte, um traditionelle Formen als hoffnungslos ineffizient und rückständig zu diskreditieren, beschrieb er andererseits die Perfektion von Architektur keineswegs ausschließlich in Begriffen technologischer Funktionalität, sondern in Rekurs auf Proportionen, Normen und Harmonien geometrischer Figuren, die er sowohl in der Ingenieurtechnik seiner Zeit wie in den eigenen Bauten verwirklicht sehen wollte – auf Gestaltungsgesetze also, die auch der industriellen Maschinentechnik zugrundelagen, aber nicht aus ihr selbst hervorgingen. Reyner Banham, einer der einflussreichsten Theoretiker für die Architektengeneration nach 1960, betrachtete dieses Ausweichen auf die "Wahl symbolischer Formen", Typen und die "Mystik der Mathematik" als höchst inkonsequent. [32] Eine adaequate Antwort auf die Herausforderung des "Maschinenzeitalters" sah Banham nicht in den Werken Le Corbusiers, sondern vielmehr in den Projekten des Ingenieurs und Erfinders Richard Buckminster Fuller – auch dieser ein Propagator massenproduzierter Wohnmaschinen, die jedoch im Unterschied zu Le Corbusier keinen Anspruch auf überlegene Ästhetik formulierten. Das "Maschinenzeitalter" beinhalte, wie Banham mit einem Zitat Fullers verdeutlichte, die "unaufhaltbare Tendenz zu sich ständig beschleunigender Veränderung." [33] Die Hoffnung Le Corbusiers und einiger Zeitgenossen, mit ihren Bauten Maßstäbe ästhetischer Vollkommenheit zu setzen, erschien Banham als Rückfall in einen bereits überwundenen Akademismus:

"Mit der Entscheidung zugunsten stabilisierter Typen bzw. Normen entschieden sich die Architekten für die Ruhepausen, in denen die normalen technischen Entwicklungsprozesse aufgehalten wurden; aber diese Veränderungs- und Erneuerungsprozesse können, soweit wir das zu beurteilen vermögen, nur dadurch zu einem Stillstand gebracht werden, daß wir die Technologie, so wie sie uns heute geläufig ist, aufgeben und sowohl die Forschung als auch die Massenproduktion stoppen." [34]

— Eine Alternative, die Banham keineswegs ernsthaft in Betracht zog. Nicht die Technik, sondern die Baukunst müsse sich im Zweifel neu definieren. "Es ist durchaus möglich", führte Banham weiter aus,

"daß das, was wir bisher als Architektur angesehen haben, und das, was wir beginnen unter Technologie zu verstehen, miteinander unvereinbare Disziplinen sind. Der Architekt, der beabsichtigt, mit der Technologie zu gehen, weiß, daß er sich in einer rasch voranschreitenden Bewegung befindet und daß er, um mit ihr Schritt zu halten, es möglicherweise den Futuristen gleichtun und seien ganzen Kulturballast abwerfen muß, einschließlich jener Berufskleidung, die ihn als Architekten kenntlich macht. Wenn er sich andererseits entschließt, das nicht zu tun, dann wird er vielleicht feststellen, daß die technologische Kultur entschlossen ist, ohne ihn voranzuschreiten." [35]

Links: Le Corbusier, Villa Stein-de Monzie, Vaucresson (Fr.). 1926-28.
Rechts: Buckminster Fuller, Dymaxion House, 3. Modell, 1929. Quelle: The Harvard Society for Contemporary Art. Buckminster Fuller's Dymaxion House. Ausstellungsbroschüre. Juni 1929.

Der Übergang von gestalterischen und handwerklichen Traditionen zur Logik der industriellen Produktion des Maschinenzeitalters implizierte, so Banham, der an diesem Punkt dann doch vorsichtig ein "möglicherweise" und "vielleicht" einfügte, eine grundsätzliche Verschiebung. Die Vorstellung unablässiger technologischer Innovation bedingt, dass jede gebaute Struktur veraltet und durch eine leistungsfähigere zu ersetzen ist. "Innovation ist der Inbegriff der Einstweiligkeit. Bis auf weiteres wird das Vorfindliche überboten, aber jede Innovation ist ihrerseits zur Überbietung bereits gekürt", resümiert die Kulturwissenschaftlerin Marianne Gronemeyer, die sich mit der Psychologie von Innovationen und Innovateuren beschäftigt. Die Doktrin fortwährender Innovation, so Gronemeyer, befreit aber nicht nur von einschränkende Bindungen oder Traditionen, sie enthebt auch von Verantwortlichkeit für eigenes Tun. "Der Innovateur plagt sich auch nicht [...] mit Grübeleien über die Folgen seines ersten Schrittes. Die Konsequenzen seines Beginnens seien sie schädlich oder nützlich, sind in jedem Fall eine fabelhaft kraftvolle Herausforderung für neuerliche Innovation. So kann er weder scheitern noch Schaden anrichten. Der Gedanke, dass er sich festlege ist ihm gänzlich fremd. Wo alles in Rotation gerät und geraten soll, hat die Vorstellung einer nicht hintergehbaren Entscheidung ihr Existenzrecht eingebüßt." [36]

Für Architekten, die sich in den sechziger Jahren als Impulsgeber für bautechnische Innovationen verstanden und mit den Möglichkeiten neuer Bausysteme, von Metastrukturen oder der Industrialisierung des Bauwesens arbeiteten, mag ein vergleichbarer Mechanismus diagnostiziert werden. Aus der interpolierten Logik fortlaufender technologischer Innovation heraus wurden Chancen eines prognostizierten Systemwechsels im Bauwesen überschätzt, Qualitäten und Anpassungsmöglichkeiten des Bestandes unterbewertet. Die Perspektive, dass aktuelle Erzeugnisse industrialisierten Bauens ohnehin bald von leistungsfähigeren und ausgereifteren Systemen ersetzt werden würden, enthob ihre Schöpfer der Notwendigkeit, sich allzu genau mit der Lebensdauer der neu errichteten Bauten zu befassen.

Auch ein zweiter Effekt lässt in den 60er und 70er Jahren Innovationen und neue Bausysteme in den Vordergrund treten. In modernen Gesellschaften gewinnt die Vermittlung von Wissen und Orientierung durch Medien zunehmende Bedeutung. Auch Wertung und Bewertung von Architekturen kommen nicht allein unmittelbare Erfahrung zustande, sondern fast häufiger über Vermittlung von Büchern, Zeitschriften, Fotos oder Filmen – kurz über die Vermittlung von Medien und Experten. Medienvermittelte Bilder von Architektur und die mit ihnen verknüpften Vorstellungsbilder sind als Orientierungswissen unter Umständen sogar wirkungsvoller und langlebiger als die realen Objekte. Im Medienwettbewerb um Aufmerksamkeit besitzen Innovationen – das Neue – natürlicherweise größeres Interesse als das Ausdauern des Alten. Das in Medien vermittelte Bild von Architektur ist deshalb fast ausschließlich ein Bild von neuen Bausystemen, technischen Innovationen und Neubauten. Architekten, Fachzeitschriften oder Architekturgeschichten präsentieren Bauwerke fast durchgängig mit sorgsam inszenierten Fotos, die nur kurz nach Fertigstellung der Bauten entstanden sind. [36a] Die daraus hervorgehende Medieninszenierung von Architektur wird von ästhetischer Perfektion und Neuheitswert bestimmt. Abwesenheit von Spuren des Alters ist eine Konsequenz dieser Vermittlung. Selbst bespielgebende Bauten der Moderne, die seit vielen Jahrzehnten bestehen werden in Darstellungen der Architekturgeschichte in der Regel mit Bildern visualisiert, die kurz nach ihrer Erbauungszeit oder nach einer grundlegenden Sanierung aufgenommen wurden, und nicht mit Bildern, die Spuren von Nutzung, Alter oder Umbauten aufweisen. Die Haltbarkeit von Architektur ist dagegen kein Thema eigenständiger Berichte. In aktuellen Zeitschriften bleiben Probleme des Bestandes auf die Rubrik 'Bauschadensfragen' beschränkt.

Richard Dietrich. Die Metastadt (1969).
Links: "Die montierbare und demontierbare Tragstruktur ist ein orthogonales Raumfachwerk mit biegesteifen Knoten."
Rechts: Modell der Metastadt (Ausschnitt). "Die dreidimensionale, räumliche Zuordnung ermöglicht die Verflechtung bisher zweidimensional getrennter Bereiche, wie etwa Fahrverkehr, Fußgängerverkehr, Wohnen, Arbeiten."
Quelle: db Deutsche Bauzeitung 103-1 (Januar 1969) S. 19 (links) und S. 20 (rechts)

Wer diese Abschnitte in den Architekturzeitschriften der 60er und 70er Jahre systematisch sichtet, findet in dichter Folge Beiträge über Probleme, die sich aus der Verwendung von Sichtbeton, Vorhangfassaden, Flachdachabdichtungen oder neuen Verbundmaterialien ergaben: elementare Probleme von Korrosion, Regendichtigkeit oder Kondenswasserbildung, lange bevor im Gefolge der Ölkrise schärfere Standards für Klimatisierung und Wärmeschutz erforderlich werden sollten. Es sind "difficulties of inventing everything – all over again" [37], die im Übergang zum großmaßstäblichen Einsatz von Industriematerialien traditionelles Erfahrungswissen über Sicherheit und Beständigkeit von erprobten Konstruktionen entwertet haben. "The fact of weathering as deterioration has often been associated with modern architecture", [38] konstatieren Mohsen Mostatavi und David Leatherbarrow in einer Geschichte der modernen Architektur und Ästhetik, die sich der elementaren Tatsache annimmt, dass Bauten fortgesetzt den Einwirkungen des Wetters ausgesetzt sind. "Mass production, and the ensuing changes in methods of assembly determined by this new aesthetic, were […] to be the source of a great degree of unpredictability in the life of buildings after construction." [39] Als produktionstechnisches, aber auch als ästhetisches Leitbild suggerieren Perfektion und Präzision des Maschinenproduktes über ein bloßes Funktionieren hinaus den Zwang zum makellosen Neuigkeitswert, der jeden material-, nutzungs- oder witterungsbedingten Alterungsprozess als Beeinträchtigungen empfinden lässt. 'Neuheit' nicht 'Erneuerung' ist der Inbegriff der Konsumkultur. Ein Altern mit Würde, so diagnostizierte der Architekturkritiker Wolfgang Pehnt Ende der siebziger Jahre, sei für Schöpfungen moderner Bauproduktion nicht mehr möglich.

"[...] die zeitgenössischen Baumaterialien bedingen, daß die heutigen Gebäude zu Schrott und nicht zu Ruinen werden. Was jetzt verkommt, ergibt keine geborstenen Bögen mehr, kein Filigran zerbrochenen Maßwerks; es ergibt zwar einen Haufen undifferenzierter Materie. Die Fähigkeit würdevollen Alterns geht dem Stahl, dem Beton und den Kunststoffen ab." [40] "Ein Produkt wird durchs jeweils neuere Produkt ersetzt, wenn Reparaturanfälligkeit, mangelnde Funktionstüchtigkeit und nachlassende Rentabilität es gebieten. [...] Nur dort altern Bauten noch mit Würde und verwandeln sich im Alterungsvorgang, wo handwerkliche Methoden, spontane Entscheidungen und vieldeutige Konzepte ihre Entstehung bestimmten." [41]

Doch ist es wirklich so, dass die Zeugnisse industrialisierten Bauens noch nicht einmal zur Ruine taugen? Ein eigener ästhetischer Wert ist Werken des industriellen Bauens in ihrem Verfall nicht abzusprechen, auch wenn er sich vom Ruinenästhetik der Romantik grundlegend unterscheidet. Heute hat sich eine eigene Subkultur entwickelt, die gezielt verfallende Bauten der Nachkriegs- und Industriemoderne aufsucht und fotographisch dokumentiert. [42] Wenn Pehnt mit kritischer Absicht Ende der siebziger Jahre das Bild von zerbrochenem Maßwerk und geborstenen Bögen beschwor, evozierte er etwas anderes: ein Erinnerungsbild, welches das Fehlen von Tradition, Geschichtlichkeit und Würde von Architektur in den Schöpfungen industrieller Bausysteme vorführte.



Romantische Ruinenfantasie und Ruinen des Dienstleistungszeitalters.'
Oben links: Hubert Robert (1733-1808): Colonnade en ruine. 1780. Lille, musée des Beaux-Arts.
Oben rechts: Abriss eines Verwaltungsgebäudes der 1970er Jahre. Köln Gereonskloster 8. Dezember 2012. Foto KK.
Unten: Lüttich Val Benoît (ehemalige Universität). Pförtnerloge. Fundstück: "déchiffrer les écritures". Zurückgelassener Zeitschriftenbestand. August 2011. Fotos KK.

seelische Ökonomie

Das von Pehnt beschworene Erinnerungsbild verdeutlicht eine Dimension von Architektur, die von den Systementwicklern der 60er und 70er Jahre wenig beachtet wurde. Architektur ist mehr als ein funktionales, konstruktives oder ökonomisch mehr oder minder effizient produziertes System; Architektur ist ein Zeichen. Die gebaute und gestaltete Umwelt ist ein bewusst oder unbewusst produziertes Referenzsystem, aus dem nicht allein Zeitkontext, Nutzung und Geschichte von Gebäuden und Strukturen herausgelesen werden kann, sondern auch die formalen Positionen und Traditionen, in die ihre Erbauer sie gestellt oder die sie negiert haben. Die Lesbarkeit von Architekturen, Stadtstrukturen und Kulturlandschaften durch implizites oder explizites Wissen hat Orientierungsfunktion für das Zurechtfinden des Menschen in seiner Umwelt. Dichte und Vielzahl von Architekturen, ihre Bezüge und Aussagen, ihre geschichtliche Tiefe und Qualität macht den symbolischen Reichtum von Städten aus. Das Wunschbild geschichts- und altersloser Perfektion als ästhetisches Leitbild der Moderne ignoriert diesen Zusammenhang ebenso wie der Leitsatz "Eine Zeit hat eine architektonische Sprache, nicht mehrere." [43] Beides ist eine ideologische Vereinfachung. Das Erleben von Stadt ist von der Präsenz des Ungleichzeitigen geprägt, von der Gegenwart unterschiedlicher Zeiten in ihren baulichen Zeugnissen. Dies ist kein spezifisches Merkmal für die Wahrnehmung von Stadt. Auch jenseits der Architektur ist kulturelles Gedächtnis von der Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Zeitmaßstäbe bestimmt. Die Märchen der Brüder Grimm haben in ihm ebenso ihren Platz wie elektronische Medien. Kulturelles Gedächtnis ist dadurch ausgezeichnet, die Spuren vergangener Zeitalter lesen und sich in sie zurückversetzen zu können. Paradoxerweise betrifft dies selbst Zeugnisse einer Moderne, die den Traditionsbruch zum Programm gemacht hat und über die Zeit selbst zu einer historischen Position geworden ist. Die zeichenhaften, ikonischen Bauten der Moderne der 1920er Jahre wirken als Bezugsrahmen bis in die Gegenwart zeitgenössischer Architekturen nach, die aus ihnen Anregung und Legitimation beziehen. Orientierung an vertrauten Erfahrungen ist ein Moment seelischer Ökonomie, das umso bedeutsamer wird, je tiefer Veränderungsprozesse eingreifen.

"Je mehr – durch die Modernisierungspotenzen der Neuzeit: Wissenschaft, Technik, Wirtschaft, sozialer Wandel - aus Innovation Innovationsüberlastung wird, braucht es eine eigene und sozusagen zweite Anstrengung, um – nun nicht mehr als Renaissance, sondern immer stärker als Kompensation – die nötige Kontinuitätskultur zu leisten. [...] Darum wird gegenwärtig zwar mehr weggeworfen als je zuvor, aber es wird gegenwärtig auch mehr respektvoll aufbewahrt als je zuvor: das Zeitalter der Entsorgungsdeponien ist zugleich das Zeitalter der Verehrungsdeponien, der Museen, der konservatorischen Maßnahmen, der Hermeneutik als Altbausanierung im Reiche des Geistes, der Bewahrungskultur des historischen Sinns, der Erinnerung." [44]

Diese Art von Sinnstiftung ist kein Akt unterbewusster Willkür, sie ist Ergebnis von Wahl und Auswahl, denn Tradition und Orientierung sind nicht einfach gegeben, sie werden gelebt und verändert, produziert und reproduziert. Die Konvention von traditionellen Bindungen aber ist kein Wert an sich, sie ist ambivalent. Lebendige Tradition kann helfen, Dinge einfach und selbstverständlich zu machen, ein starres kodifiziertes System von Traditionen dagegen kann einengen und wird unflexibel. Der schnelle Verlust von Orientierungsmaßstäben schließlich kann Desorientierung und konservative Gegenreaktionen hervorrufen. Genau dies diagnostiziert die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann als späte Reaktion auf die Architektur-Verluste einer ideologisch bestimmten Moderne, welche mit dem Ziel technologischer Effizienz und ästhetischer Perfektion die Zerstörung von Vergangenheit billigend in Kauf genommen hat. "Die mit dem Ende des Kalten Krieges eingeläutete Wende ist zugleich die vom modernistischen Prinzip der 'kreativen Zerstörung' hin zum Interesse an historischer Nachhaltigkeit. Diese Wende hat eine untergründige psychische Dimension. Danach ist die Rückseite der architektonischen Utopie der kreativen Zerstörung das Trauma des Geschichtsverlusts, das sich im Rekonstruktionsdrang eine neue Ausdrucksform geschaffen hat." [45] Rekonstruktion verlorener Wahrzeichen - Berliner Stadtschloss, Schinkels Bauakademie oder die verlorene Altstadt von Frankfurt a.M. – deutet Assmann als "Nostalgie einer traumatisierten Generation". [46] "Solange das revolutionäre Paradigma der Modernisierung herrscht und der Blick ausschließlich auf die in der Zukunft erwarteten Erfolge des gegenwärtigen Handelns gerichtet ist, wird ausschließlich das kreative und konstruktive Potenzial der Zerstörung wahrgenommen. Sobald man sich jedoch von diesen in die Zukunft gerichteten utopischen Perspektiven distanziert, tritt das gewalttätige, destruktive und tief verstörende Ausmaß dieser Zerstörung ins Bewusstsein." [47]

Abrissarbeiten in der Kölner Innenstadt. September 2010. Fotos: KK

Der zeichenhafte Wiedererkennungswert traditioneller Architekturformen ist denn auch ein entscheidendes Argument von Kritikern der Moderne, die seit den 1970er Jahren eine Neu- und Wiederausrichtung der Architekturästhetik am Vorbild handwerklicher Tradition eingefordert haben. [48] "Diejenigen Lösungen, die Jahrhunderte und Jahrtausende fortbestanden haben, sind derart gut, dass sie kaum verbessert werden können", konstatiert der Stadt- und Architekturhistoriker Vittorio Magnago Lampugnani in einem Plädoyer für Die Modernität des Dauerhaften. "Die Grundlösungen, die der Auslese des historischen Darwinismus widerstanden haben, sind nicht nur unter dem Gesichtspunkt des Handwerks des Entwurfs im engeren Sinn die besten, weil sie leicht umzusetzen, weil sie widerstandsfähig sind und gut funktionieren. Sie sind auch die vertrautesten und daher die verständlichsten, und zwar weil sie ununterbrochen wiederholt worden sind." [49] Vor dem Hintergrund grundlegend veränderter sozialer, medialer und ökonomischer Bedingungen kann die Verwendung eines überkommenen historischen Formenrepertoires allerdings auch problematisch sein. Die Nachempfindung verlorener Architekturzeichen unter veränderten Produktions- und Nutzungsbedingungen birgt die Gefahr, eine imaginierte "gute alte Zeit" als formale Kompensation von Modernisierungsprozessen zu instrumentalisieren. "Das kulturelle Erbe von Jahrtausenden wird zum handlich –kuscheligen, allzeit paraten Schmusetier für allfällige Tröstungsbedürfnisse modernitätsgeschädigter und innovationsüberlasteter Zeitgenossen. Es wird als Kompensation missbraucht, damit man Menschen in Verhältnisse sperren kann, die sie eigentlich nicht überstehen können." [50] Das klassizistische oder "klassisch-moderne" Gewand nachempfundener Stilarchitekturen mutiert in der Hand einer geschäftstüchtigen Bau- und Immobilienwirtschaft allzu bequem zu einem Marketing-Zeichen, das Dauerhaftigkeit und handwerkliche Werthaltigkeit signalisiert, obwohl die applizierte Fassaden-Tapete aus vorgefertigten Elementen allenfalls eine Stärke von wenigen Zentimetern besitzt. [51]

Lampugnanis Argumentation übersieht weiter, dass auch Schöpfungen der Moderne in ihrer zeichenhaften Qualität keineswegs "unverständlich" sind. Seit seiner Begründung in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist der Formenkanon von Industrie und Moderne ebenso in das kulturelle Gedächtnis der Gegenwart eingegangen wie die Baustile vorangegangener Epochen. Transparenz, Sichtbarkeit der Konstruktion oder der Verzicht auf Ornament sind für einen Betrachter, der mit zeitgenössischen Bauten aufgewachsen ist, ebenso vertraut wie die gegliederten Elemente einer klassizistischen oder historistischen Fassade. Beide Bedeutungssysteme haben ihre Berechtigung. Es ist kein Zufall, wenn 1966 und 1972 zwei wichtige Schriften der Architekturtheorie erschienen sind, die sich genau diesen Gegenpolen angenommen haben. Aldo Rossi veröffentlichte 1966 L'Architettura della Città und plädierte für die Wiederentdeckung der Symbolformen und des architektonischen Kollektivgedächtnisses der europäischen Stadt, [52] Robert Venturi, Denise Scott Brown und Steven Izenour veröffentlichten 1972 Learning from Las Vegas mit der Absicht einer Deutung und Aufwertung des Zeichensystems der amerikanischen Alltags- und Konsumkultur. [53]

Dass ihr zeichenhafter Charakter bei modernen Bauten ebenso wie bei historischen Bauten weit über ihre materielle Präsenz hinauswirken kann, lässt sich eindrücklich an zwei berühmten Beispielen vorführen: an Mies van der Rohes Deutschem Pavillon auf der Weltausstellung in Barcelona 1929 und Le Corbusiers Villa Savoye, die zwischen 1928 und 1931 entstand. Beide hatten nur eine kurze Nutzungsdauer. Mies' Pavillon wurde nach dem Ende der Weltausstellung demontiert, die Villa Savoye nach Ausbruch des Weltkrieges von ihren Bewohnern verlassen, von deutschen, später von amerikanischen Soldaten belegt und in den fünfziger Jahren in halb ruinösem Zustand als Scheune genutzt. Nicht ihre materielle Präsenz, sondern ihre, über das Medium der Fotografie vermittelte Überhöhung als Referenzobjekte einer modernen Ästhetik wurden zur Grundlage der überragenden Bekanntheit dieser Bauten. [54] In beiden Fällen führte die immaterielle Präsenz in Köpfen und Medien zuletzt auch zu ihrer materiellen Wiederherstellung. Le Corbusiers Villa wurde in den 60er Jahren vom französischen Staat übernommen, gesichert und zwischen 1983 und 1986 aufwendig saniert, [55] der Barcelona-Pavillon im gleichen Zeitraum auf private Initiative nach Originalplänen wieder errichtet. [56]

Links: Rekonstruktion des Deutschen Pavillons für die Weltausstellung in Barcelona 1929. Mies van der Rohe. Original 1928-29. Rekonstruktion 1983-86. Mai 2009 (Foto: Sebastian Niedlich (Grabthar) . Quelle: hier ).
Rechts: Die Villa Savoye nach der Renovierung. Februar 2010. (Foto: m-louis . Quelle: hier ).

Das Beispiel veranschaulicht die ikonische Wirksamkeit von Architektur über Nutzwert und materielle Permanenz hinaus, man möchte von einer überzeitlichen Existenz architektonischer Ideen sprechen: "Zwischen überzeitlicher Form und vergänglicher Realisierung entsteht eine Spannung, die dadurch wieder ausgeglichen ist, daß das Objekt, aus dem Wandel der Zeit herausgehoben, als reine Existenz in Erscheinung tritt." [57] Es ist diese überzeitliche Idee, die alterslos in den perfekten fotografischen Inszenierungen von Architektur entgegentritt. Das Zusammentreten von gebauter Form und zugrundliegender Idee beinhaltet zugleich, aber in ungleichartiger Weise, die materielle und symbolische Permanenz von Architektur. Je stärker der zeichenhafte Charakter eines Bauwerks, je größer ist seine symbolische Präsenz und damit mittelbar das Potential auch für seinen materiellen Erhalt oder gar seine Wiederherstellung. Bauten wie der Eiffelturm oder das Brüsseler Atomium, ursprünglich lediglich als ephemere Symbole von Weltausstellungen geplant, haben so als starke Zeichen ihren einmal geplanten Nutzungszeitraum weit hinausgeschoben. Selbst verlorene Bauten der Vergangenheit können auf diese Weise über Erinnerungs- und Medienbilder in die Gegenwart hineinwirken.

 

Politik

Der Kult von Neuheit und Innovation in der Architektur auf der einen Seite und die zeichenhafte Wirkung des Bekannten auf der anderen sind antagonistische Pole, die sich aktuell mit einiger Deutlichkeit in Debatten um den Denkmalwert von Nachkriegsarchitekturen manifestieren. Hierzu ein Beispiel.

1947 veröffentlichte die neu begründete Zeitschrift Baukunst und Werkform in ihrer ersten Ausgabe drei leitbildgebende Projekte: den Wiederaufbau der Frankfurter Paulskirche, das "Hamburg-Projekt" der ersten deutschen Hochhaussiedlung, und den Entwurf für ein neues Opern- und Schauspielhaus im zerstörten Köln. Die drei Entwürfe stehen in prominenter Weise für den Neuanfang der Architektur in Deutschland nach dem Krieg und wurden zu ihrer Zeit breit rezipiert. Der Wiederaufbau der klassizistischen Paulskirche, Tagungsort des deutschen Parlaments von 1848, formte 1949 einen Erinnerungsort von nationaler Bedeutung [58] – außen in den historischen Formen, innen in der nüchtern reduzierten Architektur von Rudolf Schwarz. Als der Bau in den 80er Jahren grundlegend saniert werden musste, war das eindeutige Votum der Beteiligten, die interpretierende Wiederaufbauleistung der Nachkriegszeit mit ihrem typischen Vokabular zu erhalten. [59] Das zweite Projekt, die Hamburger Grindelhochhäuser, sind seit den 80er Jahren zu einem viel beachteten Refernzobjekt für den Wohnungsbau der frühen Bundesrepublik avanciert. [60] Zwischen 1995 und 2006 wurden sie von ihrer Eigentümerin, einer Hamburger Siedlungsgesellschaft, aufwendig renoviert und stehen seit dem Jahr 2000 unter Denkmalschutz.

Wilhelm Riphahn "Entwurf zu einem Opernhaus in Köln." In: Baukunst und Werkform. Erstes Heft 1947. S. 109-110. Neben Riphahns Projekt erschienen in der Erstaufgabe der Zeitschrift allein das Wiederaufbauprojekt für die Paulskirche in Frankfurt und das "Hamburg-Projekt" einer Hochhaussiedlung für britische Besatzungsoffiziere. Riphahns Ensemble aus Opernhaus, Schauspielhaus (kleiner Saal) und Operncafé war zu dieser Zeit noch für einen Standort am Sachsenring geplant. Die Zeitschrift berichtete damals: " Als Außenhaut sollen - ein kleiner Scherz der Baugeschichte - die in Köln aufgefundenen Werksteinplatten des 'Pavlllons', verwendet werden, mit dem die Architektur des Dritten Reiches auf der Weltausstellung in Paris' im Jahre 1937 auftrat." Auch dieses Detail unterstreicht die seinerzeitige Symbolik des Neuanfangs.

Anders entwickelte sich die Situation für das von Wilhelm Riphahn errichtete Ensemble aus Oper, Schauspielhaus und Theatercafé am Kölner Offenbachplatz. Obgleich Platz und Bauten 1989 unter Denkmalschutz gestellt worden waren, diskutierten Politik und Öffentlichkeit in Köln zwischen 2000 und 2005 über den Abriss der sanierungsbedürftigen Komposition aus drei Baukörpern, deren Bauunterhalt über Jahrzehnte vernachlässigt worden war. Eine in Politik und Medien häufig bemühte Wunschvorstellung war die Errichtung eines prestigeträchtigen Neubaus am Rhein. Sydney, Kopenhagen, Teneriffa und natürlich Bilbao wurden als spektakuläre Referenzprojekte angeführt. Gleichwohl kippte nach einer intensiv gefochtenen Debatte unter Beteiligung der Denkmalpflege und internationalen Experten [61] die öffentliche Meinung für den Erhalt des Opernhauses als innerstädtischen Kulturstätte. Die übrigen Baukörper waren dagegen zur Disposition gestellt. 2008 führte die Stadt einen Architektenwettbewerb für den Neubau des Schauspielhauses durch, als dessen Sieger das Kölner Büro JSWD mit dem Entwurf eines klotzigen und sehr hohen Theater-Neubaus engster Nähe zur Oper hervorging. [62] Ende 2009 beschloss eine Ratsmehrheit – bei vielen Enthaltungen – den Abbruch des Schauspielhauses, die Sanierung der Oper und die Realisierung des siegreiche Wettbewerbsentwurfs. Erst als eine Bürgerinitiative daraufhin in kurzer Zeit die notwendigen 50.000 Unterschriften für einen Bürgerentscheid für den Erhalt des Schauspielhauses zusammenbekam, bröckelte die politische Mehrheit. Die Stadtverwaltung verließ sich zunächst aufs Taktieren und legte in der Hoffnung, dass ein beschlussfähiges Quorum nicht zustande käme, den Tag der antizipierten Bürgerentscheidung auf den Endspielsonntag der Fussballweltmeisterschaft 2010. Bevor es zu dieser Probe kam, distanzierte sich im März 2010 die grüne Ratsfraktion in dieser Frage von ihrem Koalitionspartner SPD und stimmte mit der Ratsmehrheit für das Ende der Neubauplanungen. Das zuvor noch zum Abbruch vorgesehene Baudenkmal sollte nun saniert werden. Ein Jahr später schließlich beschloss eine große Mehrheit im Rat die Sanierungsvariante, die auch Bürgerinitiative favorisiert hatte und welche alle drei Elemente des Riphahn-Ensembles erhält.

Die Einzelheiten des mehr als zehnjährigen Meinungsbildungsprozesses in dem immer wieder um Kosten, Finanzierung, Fragen der Stadt-, Kultur- und Personalpolitik und um grundsätzliche Themen der Bürgerpartizipation gerungen wurde, sind nicht Gegenstand dieser Darstellung. [63] Sie müssen es auch nicht sein, denn anders als zwischenzeitlich kolportiert, erwiesen sich im Ergebnis weder die Kosten der Sanierung noch die geforderte Funktionalität der Spielstätten als grundlegende Argumente gegen die Erhaltung des Bauensembles. (Die zuletzt gefundene Lösung kommt um mehrere zehn Millionen Euro billiger als die zwischenzeitlich ermittelten Kosten für einen Neubau.) Die pro-und-contra-Debatte um Abriss oder Sanierung des Ensembles fand ihr Zentrum letztlich in der öffentlichen Debatte um Wahrnehmung und Bewertung der baulichen Leistung der für Köln prägenden Wiederaufbauzeit. Die Vertreter der Neubaulösung inszenierten öffentlich zunächst den Gestus eines Neuanfangs von internationalem Format, der sich in alterslosen computergenerierten Visualisierungen des geplanten Ersatzbaus manifestierte. Demgegenüber bestanden Befürworter von Erhalt und Sanierung der bestehenden Bauten auf der gestalterischen Qualität und der historischen Bedeutung der vorhandenen Lösung als Zeugnis des Wiederaufbaus und erhielten auf nationaler Ebene breite Unterstützung. "Wir fassen uns an den Kopf, warum dieser grottenhässliche Plattenbau aus den 60er Jahren ein denkmalgeschütztes Objekt sein soll", polemisierte die Publizistin Elke Heidenreich noch im Jahr 2005 in einem Leserbrief, indem sie sich in "wir"-Form als Stimme der "Kölner Kulturszene" gerierte. [64] Wie um Heidenreich Lügen zu strafen sprach sich wenig später eine Vielzahl von Künstlern, Architekten und Theaterleuten, die in der Initiative "Mut zur Kultur" die Unterschriftensammlung für die Bürgerabstimmung zum Erhalt des Schauspielhauses initiiert hatten, dezidiert für den Erhalt der Bestandsgebäude aus.

Links: Kölner Oper am Offenbachplatz, August 2009 (Foto: ralfnausk . Quelle: hier ).
Rechts: "Der Traum, die Magie und ihr Preis. Zwischen Erfurt und Los Angeles: Ein Blick auf aktuelle Neubauten für Oper und Konzert." Kölner Stadtanzeiger 24./25. März 2005).

Ein letztlich entscheidendes Ereignis für den öffentlichen Diskussionsprozess aber war der Einsturz des Kölner Stadtarchivs am 3. März 2009. Angesichts dieser historischen Katastrophe waren viele Kölner nun nicht mehr gewillt, Pläne der Stadtregierung unkritisch hinzunehmen, die zu einer weiteren Reduktion geschichtlicher Substanz führen würden. Die gefühlte Geschwindigkeit im Verlust an historischer Referenz hatte eine entscheidende Marke überschritten. Im Meinungsbild der Bürgerschaft und (mittelbar der Politik) schlug die Stimmung nun eindeutig zu einem Festhalten an den denkmalgeschützten Bauten um. Odo Marquards These, dass Kontinuinität eine notwendige Gegenraktion auf beschleuigte Veränderungs- und Verlusterfahrungen darstellt (vgl. Anm. 44), findet sich in diesem Beispiel bestätigt.

Das Kölner Beispiel ist durch eine Reihe besonderer Umstände gekennzeichnet, dass Bauten der 50er und 60er Jahre derzeit an vielen Orten vom Abriss bedroht sind und in der Diskussion stehen, hat aber weitere, strukturelle Gründe. Bedingt durch den Wiederaufbau stammt ein großer Anteil des Gesamtbestandes an Bauten aus dieser Zeit. Dies gilt nicht zuletzt für zeichenhafte öffentliche Bauten: Rathäuser, Museen, Stadthallen oder große Verwaltungsbauten. Die aufgelockerte Bauweise dieser Zeit mit vergleichsweise niedrigen Bauhöhen und einem großen Anteil an Freiflächen macht es aus immobilienwirtschaftlicher Sicht extrem lukrativ, den Bestand durch verdichtete Neubauten mit einer zeitgemäßer Gebäudeausstattung zu ersetzen. Für die Politik ist das Prestige, das mit dem Neubau einer großen öffentlichen Einrichtung auf sie überstrahlt, wesentlich attraktiver als der Erhalt eines Baudenkmals, das von Amtsvorgängern vor Jahrzehnten einmal eingeweiht wurde. Die sich daraus ergebende Win-Win-Situation für Politik und Investoren erzeugt einen vergrößerten Druck auf Bauten, die im öffentlichen Bewusstsein nicht, vielleicht noch nicht, als Baudenkmäler wahrgenommen werden, selbst wenn sie seit längerem unter Denkmalschutz stehen. Bauten der 50er, 60er oder 70er Jahre sind in dieser Hinsicht vielleicht sogar stärker bedroht als Bauten, die den Weltkrieg überstanden haben. [65] "Altes abreisen, Neues hochziehen" überschrieb der Kölner Stadtanzeiger 2007 ein Foto, das denn Abriss eines Versicherungsgebäudes aus den 50er Jahren zeigt. [66] Eine ähnliche Haltung herrscht noch vielfach im Umgang mit Bauten aus dieser Epoche. Nur selten heben kontroverse öffentliche Debatten die Qualitäten der Architektur der Nachkriegs- und Boomjahre ins Bewusstsein wie im Beispiel der Bonner Beethovenhalle (1954-59), einem Werk des Scharoun-Schülers Siegfried Wolske (1925-2005), oder des Plenarbereichs des niedersächsischen Landtags in Hannover (1957-1962), einem Spätwerk des Architekten Dieter Oesterlen (1911-1964). [67] Im ersten Fall drohte, im zweiten Fall droht der Abriss des Baudenkmals.

Links: Abbrechen. Freistellen. Kernsanierungen. Arbeiten an den Bauten des ehemaligen Gerling-Konzerns am Gereonskloster Köln. Dezember 2011 (Foto: KK).
Rechts: "Altes abreissen, Neues hochziehen" Kölner Stadtanzeiger 3. März 2007).

Doch auch eine explizite Bezugnahme zur architektonischen Nachkriegsgeschichte bietet nicht in jedem Fall Gewähr für einen denkmalpflegerisch angemessenen Umgang. So bezog sich ein Investor in Köln, der ein innerstädtisches Ensemble von denkmalgeschützten Versicherungsbauten des ehemaligen Gerling-Konzerns in hochpreisige Eigentumswohnungen umbaut, in seinem Marketing zwar explizit auf die Bedeutung des Bestandes als das "größte private Baudenkmal der Wirtschaftswunderzeit". [68] Geplant sind im Ensemble jedoch erhebliche Verdichtungen, der Abbruch denkmalgeschützter Bauteile und umstrittene Aufstockungen in sensibeler Nähe zu einer der berühmten romanischen Kirchen Kölns. Die unsymmetrisch an einer Seite geöffnete Platzanlage am Kölner Gereonshof, typisch für eine Platzkompositionen der fünfziger Jahre, wird unter Entwidmung einer öffentlichen Straße in eine autoritäre Symmetrie umgeformt und geschlossen, um zusätzliche Baumassen unterbringen zu können. Die Fassaden werden ihrer Natursteinverkleidung komplett entkleidet, mit einer Wärmedämmung versehen und sollen dann ohne vorheriges Aufmaß und ohne Verwendung der Originalteile in historischer Anmutung "rekonstruiert" werden. Die Reproduktion einer historischen Anmutung dient in diesem Fall dem Selbstmarketing des Investors und der Akzeptanzbeschaffung für die steigende Verdichtung in der Innenstadt Kölns. Eine moderne Denkmalpflege, der es um den Erhalt von authentischen Formen, Materialien und Originalbauteilen gehen muss, ist dies nicht.

"Sanierung" des Kölner Baudenkmals Gerling-Hochhaus und der denkmalgeschützten Platzanlage Gereonshof. Dezember 2011 (Foto: KK).

Grundsätze der Denkmalpflege sind in der öffentlichen Diskussion indessen oftmals deutlich schwieriger zu vermitteln als Positionen eines zeichenhaften Neuanfangs. Akteure in Debatten um Erhalt oder Abriss von Bauwerken der Nachkriegsjahre greifen auch heute häufig in plakativer Form auf Argumente, Ideen und Ideologien zurück, die im ersten Teil dieses Artikels betrachtet wurden. Man mag dies beklagen, doch ist diese Aushandlung von Entscheidungsprozessen nicht ohne innere Logik. Die Lebensdauer von Bauten wird auf diese Weise zuletzt von den Einflussfaktoren bestimmt, die auch das Leben in einer Stadt und in einer Demokratie ausmachen: von Öffentlichkeit und öffentlicher Wahrnehmung.



[1] Es mag verwundern, als Beleg für diese These den antiken Architekturtheoretiker Vitruv anzuführen. Vitruv berichtet für das kaiserzeitliche Rom von Bausachverständigen, welche die Lebensdauer von Bauten beurteilen und über spezifizierte Erfahrungswerte von Dauerhaftigkeit und Zeitwert von Bauteilen verfügen.
Vitruv gilt stabilitas, die Festigkeit von Bauten, neben ihrer Zweckmäßigkeit (utilitas) und Anmut (venustas) zwar als Grundkategorie von Architektur. Sein im dritten Jahrzehnt v. Christus entstandener Architekturtraktat führt diesen Gedanken allerdings nur höchst skizzenhaft aus. (Vitruv: Zehn Bücher über Architektur. Übersetzung Curt Fensterbusch. Darmstadt 1981. Buch I, 3.2). Nur ein einziger Abschnitt setzt sich ausführlicher mit dem Problem der Dauerhaftigkeit (perpetuitas) von Bauteilen auseinander; er betrifft die Standfestigkeit von Mauern. Konstruktionen aus minderwertigem Bruchstein besitzen, so Vitruv, nach der Meinung von Sachverständigen eine maximale Lebensdauer von 80 Jahren. Deshalb rechnen Gutachter für die Taxierung gemeinsamer Mauern dieser Bauart für jedes Jahr seit ihrer Erbauung ein Achtzigstel des Wertes ab. Feste Ziegelmauern, sofern sie noch senkrecht stehen, werden dagegen ohne Abzüge bewertet (Vitruv: Buch II, 8.8.). Ausführlich zu Vitruvs Grundprinzipien: Hanno-Walter Kruft: Geschichte der Architekturtheorie. München 52004. S. 24- 30.

[2] Holger König/ Niklaus Kohler/ Johannes Kreißig/ Thomas Lützkendorf: Lebenszyklusanalyse in der Gebäudeplanung. Grundlagen. Berechnung. Planungswerkzeuge. München 2009. Hier: S. 58-64. Robert H. Crawford: Life Cycle Assessment in the Built Environment. London, NewYork 2011. S. 38-71. Uta Hassler/ Niklaus Kohler: Das Verschwinden der Bauten des Industriezeitalters. Lebenszyklen industrieller Bestände und Methoden transdisziplinärer Forschung. Tübingen, Berlin 2004. Uta Hassler/ Katherine Dumont d'Ayot (Hg.). Bauten der Boomjahre. Paradoxien der Erhaltung. Zürich 2009.

[3] Martin Pfeiffer/ Achim Bethe/ Dirk Fanslau-Görlitz/ Julia Zedler: Nutzungsdauertabellen für Wohngebäude. Lebensdauer von Bau- und Anlageteilen. Berlin 2010.

[4] Pfeiffer u.a. Nutzungsdauertabellen (vgl. Anm.  [3]). S. 8.

[5] Manfred Berthold: Architektur kostet Raum. Architektonisches Entwerfen bei Ressourcenknappheit. Wien, New York 2010. S. 200.

[6] Wolfgang Amsoneit, Walter Ollenik: Zeitmaschine Architektur. Eine Einführung in die Architekturtheorie. Essen 2008

[7] Rudolf Schwarz: "'Bilde Künstler, rede nicht.' Eine (weitere Betrachtung zum Themen Bauen und Schreiben." In: Baukunst und Werkform Heft 1 1953. Wieder in: Ulrich Conrads, Magdalena Droste, Winfried Nerdinger, Hilde Strohl (Hg.). Die Bauhaus-Debatte 1953. Dokumente einer verdrängten Kontroverse. Braunschweig/ Wiesbaden 1994. Bauwelt-Fundamente 100. S. 34-47. Zitat S. 41.

[8] "[...] er konnte offenbar nicht denken – ich meine damit das, was nun einmal im abendländischen Raum Denken heißt- ,und das muß man nun einmal können, wenn man mehr sein will als ein unverbindlicher Künstler, ein großer Baumeister nämlich", Schwarz "'Bilde Künstler […]'" (vgl. Anm.  [7]). S. 43-44.

[9] Schwarz "'Bilde Künstler […]'" (vgl. Anm.  [7]). S. 44-45.

[10] Schwarz "'Bilde Künstler […]'" (vgl. Anm.  [7]). S. 46.

[11] In einem späteren Beitrag regte Schwarz schließlich an, die Geburt der architektonischen Moderne nicht auf die Zeit nach dem ersten Weltkrieg, sondern auf das Jahr 1750 zurückzuverlegen. Dass dieser Vorschlag ebensowenig Beifall fand und – so eine zeitgenössische Zusammenfassung – als "so belanglos, daß man darüber nicht reden soll" charakterisiert wurde, sagt viel über das Unvermögen oder den Unwillen der 50er Jahre in Deutschland, sich einem Diskurs über die Geschichte zu stellen. Cf. Rudolf Schwarz: "Was dennoch besprochen werden muß." In: Baukunst und Werkform Heft 4 1953. Wieder in: Conrads u.a. Bauhaus-Debatte (vgl. Anm.  [7]). S. 162-178. Hier: S. 172. Rudolf Pfister: "Verwirrung auf der ganzen Linie! Ein Vorschlag zur Güte." In: Baumeister Dezember 1953. Wieder in: Conrads u.a. Bauhaus-Debatte (vgl. Anm.  [7]). S. 202-213. Zitat S. 212.

[12] Jan Assmann: "Ges(ch)ichtslosigkeit. Zur Architektur der fünfziger Jahre." In: Merlin Bauer: Liebe Deine Stadt. Öffentliche Angelegenheiten in Köln. Köln 2009. S. 298-304. S. 300.

[13] Jan Assmann: "Ges(ch)ichtslosigkeit. Zur Architektur der fünfziger Jahre." In: Merlin Bauer: Liebe Deine Stadt. Öffentliche Angelegenheiten in Köln. Köln 2009. S. 298-304. S. 300.

[14] Assmann "Ges(ch)ichtslosigkeit" (vgl. Anm.  [12]). S. 301.

[15] Ich übernehme "Traditionsbruch als Programm" von Eberhard Grunsky: "Ist die Moderne konservierbar?" In: Florian Fiedler (Red.): Konservierung der Moderne? Über den Umgang mit den Zeugnissen der Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Tagung des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS 31.10. - 2.11.1996. München 1998. S. 27-38. S. 27.

[16] Sant'Elia, Marinetti "Futuristische Architektur" (vgl. Anm.  [17]). S. 34.

[17] Antonio Sant'Elia, Fillipo Tomasa Marinetti: "Futuristische Architektur" (11914). In: "Ulrich Conrads (Hg.): Programme und Manifeste zur Architektur des 20. Jahrhunderts. Braunschweig, Wiesbaden ²1981. S. 30-34. S. 34.

[18] Sant'Elia, Marinetti "Futuristische Architektur" (vgl. Anm.  [17]). S. 32.

[19] Werner Oechslin: "Das 'Neue' und die moderne Architektur." In: Daidalos 52 (Juni 1994). S. 114-125.

[20] Le Corbusier-Saugnier [Charles-Édouard Jeanneret-Gris, Amédée Ozenfant]: Vers une architecture. Paris 1923. S. 200. Übersetzung KK, im Original: "une maison comme une auto, conçue et agencée comme un omnibus ou une cabine de navire. Les nécessités actuelles de l'habitation peuvent être précisées et exigent une solution. Il faut agir contre l'ancienne maison […]. Il faut (nécessité actuelle: prix de revient) considérer la maison comme une machine à habiter ou comme un outil." Übersetzung KK.

[21] Le Corbusier-Saugnier Vers une architecture. S. 5-6. Übersetzung KK, im Original: "On jette en ferrailles le vieil outil [...] Ce geste est une manifestation de santé, de santé morale, de morale aussi; on n'a pas le droit de produire mal à cause d'un mauvais outil; on n'a pas le droit d'user sa force, sa santé et son courage à cause d'un mauvais outil; on jette, on remplace." Übersetzung KK.

[22] Dass Le Corbusier diese Implikation seines Programms offenbar weniger präsent gewesen ist, hat möglicherweise damit zu tun, dass die ersten Generationen von Autos und Flugzeugen, die er 1923 als Vorbildeiner neuen Architektur präsentierte, noch nicht Schrottplätzen und Autofriedhöfen gelandet waren. Nur wenige Jahre später waren die Modelle, die Le Corbusier zum Sinnbild einer neuen Epoche erhoben hatte, hoffnungslos veraltet.

[23] Wolfgang Döring: Perspektiven einer Architektur. Frankfurt a.M. 1970. S. 94. Hervorhebung von mir. Döring distanzierte sich später von dieser Position. Cf. Heinrich Klotz: Architektur in der Bundesrepublik. Gespräche mit Günter Behnisch, Wolfgang Döring, Helmut Hentrich, Hans Kammerer, Frei Otto, Oswald M. Ungers. Frankfurt a.M., Berlin, Wien 1977. 65-104. "In Ihren Büchern schreiben Sie von harten Zwecken und von einer technoiden Zukunft, von einer Architektur, die man auf Fließband auflegen kann – aber Sie bauen wie ein Poet, der mit Katalogteilen Gedichte schreiben möchte." S. 104. Wolfgang Döring: Wolfgang Döring. Architekt. Köln 1989. "Es war ein Fehler zu denken, man könne alleine mit technologischen Methoden 'Architektur erfinden'." S. 25.

[24] Döring Perspektiven (vgl. Anm.  [23]). S. 94.

[25] Döring Perspektiven (vgl. Anm.  [23]). S. 35.

[26] Peter Cook: "Acht Thesen zur Zukunft." In: Justus Dahinden: Stadtstrukturen für morgen. Analysen. Thesen. Modelle. Stuttgart 1971. S. 189-191. Zitat S. 189.

[27] Richard J. Dietrich: "Metastadt. Ein Versuch zur Theorie und Technik des Mensch-Umwelt-Systems." In: db Deutsche Bauzeitung 103.1 (Januar 1969). S. 4-17. Zitat S. 4.

[28] Dietrich "Metastadt" (vgl. Anm.  [27]). S. 15.

[29] Dietrich "Metastadt" (vgl. Anm.  [27]). S. 17.

[30] Cedric Price: "The built environment – the case against conservation." In: The Enviromentalist Vol 1 1981. Wieder in: Architectural Association (Hg.): Cedric Price. London 1984. S. 37.

[31] Jean Baudrillard: "L'effet Beaubourg – implosion et dissuasion" (11977). In: Jean Baudrillard: Simulacres et simulation. Paris 1981. S. 93-111. S. 97. Übersetzung KK, im Original: "celle-ci, avec ses réseaux de tuyaux et son air de bâtiment d'expo ou de foire universelle, avec sa fragilité (calculée?) dissuative de toute mentalité ou monumentalité traditionnelle, proclame ouvertement que notre temps ne sera plus jamais celui de la durée, que notre seule temporalité est celle du cycle accéléré et du recyclage, celle du circuit et du transit des fluides. Notre seul culture au fond est celle des hydrocarbures, celles du raffinage, du cracking, du cassage de molécules culturelles et de leur recombinaison en produit de synthèse."

[32] Reyner Banham: Die Revolution der Architektur. Theorie und Gestaltung im Ersten Maschinenzeitalter. Reinbek b. Hamburg 1964 (1London 1960). S. 276.

[33] Ebd.

[34] Banham Revolution (vgl. Anm.  [32]). S. 278.

[35] Banham Revolution (vgl. Anm.  [32]). S. 279.

[36] Marianne Gronemeyer: Immer wieder neu oder ewig das Gleiche. Innovationsfieber und Wiederholungswahn. Darmstadt 2000. S. 123.

[36a] Eine große Ausnahme in dieser Hinsicht ist die Architekturgeschichte Leonardo Benevolos, der in Fotos Le Corbusiers Villa Savoye oder Gropius' Bauhaus im ruinösen oder durch spätere Umbauten stark veränderten Zustand der 1960er Jahre zeigte und damit ihre Geschichtlichkeit und Vergänglichkeit dokumentierte. Leonardo Benevolo: Geschichte der Architektur des 19. und 20. Jahrhunderts. München1964. Hierzu: Panayotis Tournikiotis: The Historiography of Modern Architecture. Cambridge (Mass.), London 1999. S. 103-106.

[37] Mohsen Mostafavi/ David Leatherbarrow: On Weathering. The Life of Buildings in Time. Cambridge, London 1993. S. 31.

[38] Mostafavi/ Leatherbarrow On Weathering (vgl. Anm.  [37]). S. 16.

[39] Mostafavi/ Leatherbarrow On Weathering (vgl. Anm.  [37]). S. 17.

[40] Wolfgang Pehnt: "Umgang mit Ruinen. Zerfall und Verschleiß in der zeitgenössischen Architektur." In: Frankfurter Allgemeine Zeitung 19.5. 1979. Wieder in: Wolfgang Pehnt: Der Anfang der Bescheidenheit. Kritische Aufsätze zur Architektur des 20. Jahrhunderts. München 1983. S. 195-201. S. 196.

[41] Pehnt "Umgang mit Ruinen" (vgl. Anm.  [40]). S. 200.

[42] "Urban Exploration" oder "Geocoaching" – die Erkundung verlassener Gebäude und Industriegelände mit der Hilfe von GPS-Geräten als eine Form elektronischer Schnitzeljagd hat sich als eigene Sub- und Erlebniskultur etabliert. Gary Shove: Beauty in Decay. The Art of Urban Exploration. Berkeley 2010. Stefan W. Krieg/ Marc Mielzarjewicz/ Maria Meinel: Lost Places Leipzig. Verborgene Welten. Halle 2009. Marc Mielzarjewicz: Lost Places Halle (Saale). Schönheit des Verfalls. Halle 2010. Marc Mielzarjewicz: Lost Places Magdeburg. Spuren der Zeit. Halle 2011. Eine dichte Literatur gibt es zu den verlassenen Stadtvierteln und Industriebezirken von Detroit.

[43] Rudolf Schwarz: "Zur Fronleichnamskirche in Aachen." In: Zentralblatt der Bauverwaltung 51 (1931). S. 441-445. S. 443.

[44] Odo Marquard: Herkunft braucht Zukunft, Zukunft braucht Herkunft." In: Hermann Glaser/ Dieter Distl (Hg.): Zukunft braucht Herkunft. Schrobenhausen 1998. S. 30/31. Zitiert nach Gronemeyer Immer wieder neu (vgl. Anm.  [36]). S. 126.

[45] Aleida Assmann: "Rekonstruktion – Die zweite Chance, oder: Architektur aus dem Archiv." In: Winfried Nerdinger(Hg.): Geschichte der Rekonstruktion. Konstruktion der Geschichte. München u.a. 2010. S. 16-23. S. 20.

[46] Assmann "Rekonstruktion" (vgl. Anm.  [45]). S. 23.

[47] Assmann "Rekonstruktion" (vgl. Anm.  [45]). S. 21.

[48] Wo Le Corbusier die Überlegenheit der industriellen Produktionsweise als Argument für die Einführung einer neuen Ästhetik gedient hat, nutzt Lampugnani die Aktualität der ökologischen Krise als Moment einer Rückkehr zum Bewährten: "[...] das Produzieren für den gedankenlosen Konsum und das sofortige Wegwerfen ist Verschwendung. Und Verschwendung ist genau das, was wir uns in einer von Müllbergen umstellten und durch die Begrenztheit der eigenen Ressourcen bedrohten Welt nicht erlauben können." Vittorio Magnago Lampugnani: Die Modernität des Dauerhaften. Essays zu Stadt, Architektur und Design. Berlin 2011 (11995). S. 77. Andere Vertreter der Postmoderne, so etwa Léon Krier, fordern sehr viel radikaler ein Umsteuern der Wirtschaftspolitik auf handwerkliche Produktion: "das industrielle Bauen hat den negativen Effekt, daß es Gebäude, die für eine lange Gebrauchsdauer bestimmt sein sollen, in kurzfristige Konsumgüter verwandelt. So wird die Verschwendung von Baumaterial über den Punkt des ökologisch Vertretbaren hinaus getrieben. der Hang zur industriellen Fertigung hat das traditionelle Handwerk an den ranf gedrängt, nicht aus praktischer Notwendigkeit, sondern aus ideologischen Motiven." Léon Krier: Freiheit oder Fatalismus. München, London, New York 1998. S. 190. Zu Positionen in der Diskussion handwerklicher Produktion von Architektur vgl. auch: Gert Kähler (Hg.): einfach schwierig. Eine deutsche Architekturdebatte. Ausgewählte Beiträge 1993-1995. Braunschweig, Wiesbaden1995. Bauwelt Fundamente 104.

[49] Lampugnani Modernität (vgl. Anm.  [48]). S. 73. Das vorgebrachte Argument eines "historischen Darwinismus" bedarf freilich der Überprüfung. Aus einer darwinistischen Logik ergibt sich keineswegs, dass Lebensformen mit einer längeren Stammesgeschichte jüngeren Arten überlegen sein müssen. – Aus der Tatsache, dass Reptilien und Amphibien auch heute noch existieren, lässt sich nicht ihre Überlegenheit über andere Arten ableiten.

[50] Gronemeyer Immer wieder neu (vgl. Anm.  [36]). S. 126.

[51] Daniel Buggert: "Verteidigung der Baugeschichte gegen ihre Liebhaber." In: archimaera #2 (2009). S. 7-12.

[52] Aldo Rossi: Architettura della Città. Padova 11966.

[53] Robert Venturo, Denise Scott Brown, Steven Izenour: Learning fom Las Vegas. Cambridge, Mass. 11972.

[54] Banham verweist 1960 auf die vergegenwärtigende Bedeutung der Fotografie als neuen Effekt des "Maschinenzeitalters": "Wenn wir 1960 trotz der Tatsache, dass der [Barcelona-] Pavillon nicht mehr existiert und 'Les Heures Claires' [die Villa Savoye] erbärmlich vernachlässigt wird, von ihnen in der Präsenzform sprechen, dann geschieht das, weil wir im Maschinenzeitalter von beiden umfangreiche photographische Dokumentationen besitzen, die sie in ihrer ursprüngliche Herrlichkeit zeigen; wir können uns also über sie eine Meinung bilden [...]". Banham Revolution (vgl. Anm.  [32]). S. 273-274.

[55] Kevin D. Murphy: "The Villa Savoye and the Modernist Historic Movement." In: Journal of the Society of Architectural Historians 61,1 (März 2002). S. 68-S. 89. Murphy fasst zusammen: "The Villa Savoye was more significant for the clear demonstration it offered of Le Corbusier's 'Five Points of a NewArchitecture' (proposed in 1927) than it was as a functioning shelter. […] The space actually dedicated to habitation was plagued with problems from the early 1930s, but the villa's role as a demonstration of Le Corbusier's developing aesthetic was never in question." Ebd. S. 75. Jean Louis Verret, Architekt der Restaurierung, plädierte entsprechend dagegen, dem Haus den Anschein zu geben, es sei in ihm gewohnt worden: "Principalement parce qu'il serait artificiel de conférer à ce lieu un caratère d'habitation qu'il n'a pratiquement jamais eu. [...] La Villa Savoye est un manifeste d'architecture davant d'être un exemple de maison […]." Jean-Louis Veret: "Passé, Préesents, futurs de la Villa Savoye." In: Fondation Le Corbusier (Hg.): La conservation de l'œuvre construite de Le Corbusier. Rencontres du 14 juin 1990. Paris: Fondation Le Corbusier. S. 111-S.117. Hier S. 116.

[56] Ita Heinze-Greenberg: "Barcelona Pavillon, Barcelona, Spanien; erbaut: 1929, zerstört: 1930, wiederhergestellt: 1983-86." In: Winfried Nerdinger(Hg.): Geschichte der Rekonstruktion. Konstruktion der Geschichte. München u.a. 2010. S. 359-360. S. 20. Christian Circi/ Fernando Ramos/ Ignasi de Solà-Morales: "The Reconstruction of the Barcelona-Pavillon." In: Florian Fiedler/ Michael Petzer (Hg.): Konservierung der Moderne? Über den Umgang mit den Zeugnissen der Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts. München 1998. S. 45-50.

[57] Ákos Moravánszky: "Spur und Aura. Alterswert, Neuheitswert und die Zeitlichkeit der Architektur." In: UmBau 17 (Oktober 2000). S. 50-62. Zitat S. 61.

[58] Wolfgang J. Mommsen: "Die Paulskirche". In: Etienne François/ Hagen Schulze (Hg.): Deutsche Erinnerungsorte II. 2. München 2009. S. 47-66.

[59] Jörg Husmann/ Maria Schwarz (Red.). Die Paulskirche in Frankfurt am Main. Frankfurt a.M. 2008.

[60] Axel Schildt: Die Grindelhochhauser. Eine Sozialgeschichte der ersten deutschen Wohnhochhausanlage Hamburg-Grindelberg 1945-1956. Hamburg 1988.

[61] Peter Zumthor: "Protokoll eines Auftritts vor dem Kölner Opernensemble. 22. September 2006." In: Merlin Bauer: Liebe Deine Stadt. Öffentliche Angelegenheiten in Köln. Köln 2009. S. 166-170.

[62] Vgl. www.jswd-architekten.de/ Weiter: Projekte – Kultur –Bühnen der Stadt Köln (Bild 1). Abruf Dzember 2011.

[63] Hierzu: Ulrich Krings: "Das sogenannte Riphahn-Ensemble am Offenbachplatz in Köln - Chronik einer Erfolgsgeschichte?" In: Die Denkmalpflege 68 (2010). S. 41-46.

[64] "Weg mit dem hässlichen Koloss", Leserbrief im Kölner Stadtanzeiger am 21.2. 2005. Wieder in: Bauer Liebe Deine Stadt (vgl. Anm. [61]). S. 163.

[65] Christoph Heuter: "Zu nahe dran? Bauten der 1960er Jahre als Herausforderung für die Denkmalpflege." In: Adrian von Buttlar/ Christoph Heuter (Hg.): denkmal!moderne. Architektur der 60er Jahre. Wiederentdeckung einer Epoche. Berlin 2007. S. 28-37. Michael Hecker/ Ulrich Krings (Hg.): Bauten und Anlagen der 1960er und 1970er Jahre – ein ungeliebtes Erbe? Wolfgang Pehnt zum 80. Geburtstag. Essen 2011. Edition hdak 4.

[66] Der inzwischen fertiggestellte Neubau ist ein Stockwerk höher als der Vorgängerbau, was angesichts der ursprünglichen Pläne, an dieser Stelle mehrere Hochhausscheiben mit bis zu 13 Geschossen als Erfolg gewertet werden muss.

[67] Zur Debatte um die Beethovenhalle, die durch einen Neubau ersetzt werden sollte, cf.: Martin Bredenbeck / Constanze Moneke/ Martin Neubacher (Hg.): Beethovenhalle Bonn, Konzerthaus. Festsaal. Denkmal. Bonn 2010. Das Vorhaben scheiterte an der Finanzsituation der Stadt Bonn.

[68] Zitat aus dem Werbefilm der frankonia Eurobau http://gerling-quartier.com/de/wohnen/film/global (01:20).

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