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Ephemere Architektur

 

Mit der ephemeren Architektur soll im dritten Heft von archimaera eine höchst vielschichtige "Kategorie" der Baukunst in den Blick genommen werden. Zu unterscheiden sind anlassgebundene Werke (wie z. B. barocke Festapparate oder Ausstellungsarchitekturen) und Provisorien, zu denen etwa hölzerne Notkirchen oder Barackenstädte zu zählen sind.

Als flüchtige Gebilde, deren Lebensdauer durch die Bindung an einen Anlass oder die Wahl eines vergänglichen Materials von vornherein als begrenzt hingenommen wird, widersprechen ephemere Architekturen einer der Grundkategorien der vitruvianischen Theorie: der firmitas, der Festigkeit, Stabilität, Beständigkeit. Während provisorische Architekturen zumeist primär den Grundsätzen der utilitas, der Nützlichkeit und Funktionalität, folgen, geht es bei den anlassgebundenen Werken im allgemeinen vor allem um die venustas, den ästhetischen Reiz, der durch das Wissen um ihre Vergänglichkeit häufig noch gesteigert wird.

Der Bereich der anlassgebundenen ephemeren Architektur ist die große Dunkelziffer der Architekturgeschichte. Bis ins 19. Jahrhundert gehörten insbesondere Festbauten und –dekorationen zum festen Aufgabenspektrum des Architekten. Künstler wie Filippo Brunelleschi, Andrea Palladio oder Gianlorenzo Bernini erwarben sich mit sakralen und profanen Theaterkulissen, Trauergerüsten, Triumpharchitekturen oder Feuerwerksvorrichtungen größten Ruhm.

Neben ihrem repräsentativen Charakter macht besonders ein Thema die Faszination der ephemeren Architektur aus: ihre Scheinhaftigkeit, die die Sinne des Betrachters zu überlisten und ihn in fremde Realitäten zu entführen vermag. Im Theater etwa, dem Illusionsraum par excellence, konnte der schöne Schein mit allen verfügbaren künstlerischen Mitteln erzeugt werden; der Phantasie und den Möglichkeiten des Künstlers waren hier – anders als im Bereich der "festen" Architektur – kaum Grenzen gesetzt. Ephemere Architekturen sind Gesamtkunstwerke oder in ein solches einbezogen.

Auf die illusionistische Ãœberwältigung der Betrachter zielt auch der performative Charakter der Festarchitekturen, die "Belebung" der Architektur durch Bewegungsmechanismen, Licht, Feuerwerk, handelnde Menschen – hinzuzudenken ist die auditive Komponente. Die Festarchitektur ist die Urform jeder multimedialen Inszenierung.

Spätestens seit Jacob Burckhardts Kapitel über das Festwesen in der "Kultur der Renaissance in Italien" ist die ephemere Architektur Gegenstand kunst-, kultur- und architekturgeschichtlicher Betrachtung geworden. Seit der Öffnung der Kunst- und Architekturgeschichte für kultur- und sozialgeschichtliche Themen seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts sind Untersuchungen zur ephemeren Architektur, z. B. in der Residenzenforschung oder in den Forschungen zu den sakralen und profanen "apparati" des italienischen Barock, nicht mehr wegzudenken. Auch in der zeitgenössischen Architekturtheorie hat sich das Ephemere als Kategorie etabliert (vgl. z. B. Susanne Hausers "Ephemeres und Monumentales..:" in Wolkenkuckucksheim 6 (2001), H. 1).

Weniger häufig sind Studien, die das Phänomen der ephemeren Architektur von der historischen Architektur bis in die Gegenwart fortdenken – zu nennen ist hier etwa Werner Oechslins einleitender Text "Festarchitektur – Zur Kontinuität und Aktualität eines Kompetenzbereiches der Architektur" in Oechslin/Buschow 1984, S. 8-18).

An Ansätze wie diesen möchte das Heft "Ephemere Architektur" von archimaera anknüpfen.

Mögliche Themen für wissenschaftliche und kreative Beiträge sind z. B.

  • Theaterarchitektur und deren "Erbe", die Filmarchitektur
  • temporäre, anlassgebundene Verwandlungen von Bauten, Räumen oder Stadträumen durch ephemere Architekturen: Trauergerüste, Quarant´ore-Apparate u. ä., Triumph- oder Festarchitekturen in städtischen Räumen, aber auch Ausstellungs- und Messearchitektur, Light-and-Sound-Installationen...
  • "Provisorien", Not- und Ãœbergangsarchitekturen aller Art
    .... und natürlich viele weitere Themen.

 

Redaktionsschluss für diese Ausgabe:

31.07.2007 - Exposés

30.09.2009 - Beiträge

 

Vorschläge und Einreichungen direkt unter "mitmachen" bei www.archimaera.de oder per E-Mail an redaktion@archimaera.de

     

Lizenz

Jedermann darf dieses Werk unter den Bedingungen der Digital Peer Publishing Lizenz elektronisch über­mitteln und zum Download bereit­stellen. Der Lizenztext ist im Internet unter der Adresse http://www.dipp.nrw.de/lizenzen/dppl/dppl/DPPL_v2_de_06-2004.html abrufbar.

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erstellt von DiPP Admin zuletzt verändert: 18.11.2019 11:00